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Die Company

Die Company

Titel: Die Company
Autoren: Robert Littell
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Überläufer sein.«
    »So ungefähr.«
    »Wenn dem so ist, wieso nehmen wir dann überhaupt Überläufer auf?«
    »Weil der Überläufer ja echt sein könnte und seine echten Informationen vielleicht nützlich für uns sind. Die Identität des russischen Maulwurfs im MI6 fällt einem nicht jeden Tag in den Schoß. Selbst wenn der Überläufer nicht echt ist, können wir, wenn wir es geschickt anstellen, die wahren Informationen verwerten und die falschen außer Acht lassen.«
    »Mir dreht sich der Kopf, Harvey.«
    Der Zauberer kicherte. »Genau, im Grunde drehen wir uns im Kreis, bis wir richtig wahnsinnig werden. Letztlich ist es ein verrücktes, intellektuelles Spiel – und um ein Spieler zu werden, muss man über die Grenze in einen wilden Wald von Spiegeln, wie Mother gern sagt.«
    Dem Zauberer sank der Kopf auf die Brust. Das Whiskeyglas auf dem prallen Bauch balancierend, war er nach zwei schlaflosen Nächten erstmals eingeschlafen.
     
    Der Bericht des Zauberers war – wie alle Nachrichten, die von ausländischen Funkstationen der Company nach Washington gesendet wurden – an den Director, Central Intelligence, adressiert und wurde Jim Angleton in einem Metallaktendeckel an den Schreibtisch gebracht. Das einzige Exemplar des entschlüsselten Textes war mit den Initialen des Direktors versehen und zur »sofortigen Erledigung« an Angleton, der den internen Codenamen Mother führte, weitergeleitet worden. Der Director, Walter Bedell Smith, Eisenhowers bärbeißiger Generalstabschef bei der Landung in der Normandie, hatte in einer fast unleserlichen Schrift, die wie Hieroglyphen anmutete, quer über die Meldung gekritzelt: »Scheint mir koscher. WBS.« Seine rechte Hand, Allen Dulles, Chef des OSS im Zweiten Weltkrieg, hatte hinzugefügt: »Bei allen Heiligen, Jim, den dürfen wir nicht vom Haken lassen. AD.«
    Der Bericht des Zauberers begann mit den in der Company üblichen Formalien:
     
    Von: Alice Reader
    An: DCI
    Kopie an: Hugh Ashmead
    Betr.: AESNOWDROP/re. Nachricht v. 28.12.50/
    Fette Beute
     
    Angleton, hager, hängende Schultern, Kettenraucher, hatte ein großes Eckbüro im »L« -Gebäude, eines von den »provisorischen« hölzernen Ungetümen, die während des Zweiten Weltkriegs wie Strandgut zwischen Lincoln Memorial und Washington Monument angeschwemmt worden waren. Von Angletons Fenstern aus hätte man eine herrliche Aussicht auf das Lincoln Memorial gehabt, wenn jemand je die Jalousien geöffnet hätte. Tausende von Karteikarten und ein Wust von Krimskrams, den Mother im Laufe seiner Geheimdienstjahre angehäuft hatte, lagen verstreut auf dem Schreibtisch und den Regalen. Falls der Wahnsinn Methode hatte, so kannte nur Angleton sie. Er ging seine kostbaren Karten durch und hatte im Nu die Antworten auf die Fragen des Zauberers parat:
     
Ja, in Brest-Litowsk gibt es eine Straße namens Michail Kutusow; ja, in dem kleinen Park an der Kutusow-Straße gegenüber den Mietshäusern, wo die KGB-Offiziere wohnen, steht eine große Statue von einer Partisanin mit verbundenen Augen, die, an einen Pfahl gebunden, auf ihre Hinrichtung wartet.
Ja, 1947 gab es im Moskauer Diplomatischen Institut des KGB Ausbilder namens Piotr Maslow, Gennadi Brykin und Johnreed Archangelski.
Ja, der stellvertretende Resident von KGB-Karlshorst heißt Oskar Ugor-Molodi.
Ja, eine Einheit mit dem Namen Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung hat die ehemaligen Räumlichkeiten einer Schule im Ostberliner Stadtteil Pankow bezogen.
Ja, für die Prawda schreibt tatsächlich ein Sportjournalist, der seine Artikel mit A. Shitkin zeichnet. Das Patronymikon Sergejewitsch war nicht verifizierbar. Er soll verheiratet sein, allerdings unbestätigt, dass seine Frau die Schwägerin von AESNOWDROP ist.
Nein, wir haben keinen Nachweis, dass Shitkin letzten Februar in Stockholm war, allerdings ist seine wöchentliche Prawda- Kolumne in der dritten Februarwoche nicht erschienen.
Ja, das Mikro in der Armlehne eines Sessels, den die Sowjetbotschaft in Den Haag erwarb und an das Büro des Botschafters lieferte, war bis 22.45 Uhr am 12. November 1949 in Betrieb; dann brach die Verbindung ab. Ein Angehöriger eines befreundeten Staates, der anschließend den sowjetischen Botschafter besuchte, berichtete, an der Unterseite der Armlehne des Sessels einen kleinen Hohlraum ertastet zu haben, was uns zu dem Schluss veranlasste, dass die KGB-Spionageabwehr das Mikrofon zufällig bei einer Routinedurchsuchung des Büros entdeckt und
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