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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen
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reiche, mit der Miete im Rückstand zu sein?
    Ich fuhr per Anhalter zum Phat Duc, Hitchs angeblichem Fastfood- und Anglerladen.
    Hitch hatte ebenfalls Probleme – er hegte die leise Hoffnung, die verschwundene Daimler aufzustöbern –, eröffnete mir aber, ich könnte vorerst im Hinterzimmer des Duc übernachten (auf einem feuchten Ballen Sin-semilla, [v] malte ich mir aus) und das Telefon im Laden so oft benutzen, wie ich wollte; wir würden das später abwickeln.
    Ich brauchte bis zum Morgen, um herauszufinden, dass Janice und Kaitlin das Land bereits verlassen hatten.
     
    Ich mache ihr keinen Vorwurf.
    Nicht, dass ich nicht wütend war; sechs Monate war ich wütend. Doch wenn ich versuchte, diese Wut vor mir zu rechtfertigen, kamen mir meine Entschuldigungen dürftig und unangebracht vor.
    Immerhin hatte ich sie mit nach Thailand genommen, als sie viel lieber in den Staaten geblieben wäre, um ihr Postdoc-Forschungsstipendium zu beenden. Ich hatte sie hierbehalten, als meine Verträge ausliefen, und sie erfolgreich zu einem Leben unterhalb der Armutsgrenze gezwungen (nach amerikanischer Lesart, wohlgemerkt), derweil ich den Rebellen und Rückzügler mimte, was mehr mit unverarbeiteten postpubertären Existenzängsten zu tun hatte als mit etwas Substanziellem. Ich hatte Kaitlin den Gefahren eines Exillebens ausgesetzt (worunter ich vorzugsweise eine »Erweiterung ihres Horizonts« verstand) und am Ende, als meine Tochter in Lebensgefahr schwebte, war ich weder anwesend noch erreichbar gewesen.
    Ohne Zweifel gab Janice mir die Schuld an Kaitlins hochgradiger Taubheit. Mir blieb nur die Hoffnung, dass Kait selbst mir nicht die Schuld gab. Zumindest nicht dauerhaft. Nicht für immer.
    Inzwischen wollte ich nur eins: heimkehren. Janice hatte sich in das Haus ihrer Eltern nach Minneapolis zurückgezogen, wo sie meine Anrufe beharrlich ignorierte. Man gab mir zu verstehen, die Scheidung sei eingereicht.
    Das alles war zehntausend Meilen weit weg.
    Am Ende eines deprimierenden Monats eröffnete ich Hitch, dass ich ein Ticket in die Staaten brauchte, meine Mittel aber restlos erschöpft seien.
    Wir saßen in der Bucht auf einem angeschwemmten Baumstamm. Windsurfer glitten in das weite Blau hinaus, unbeeindruckt von der Bakterienkonzentration. Lustig, wie einladend der Ozean wirken kann, selbst wenn er verseucht ist.
    Am Strand herrschte reger Betrieb. Chumphon war zum Mekka für Bildjournalisten und neugierige Müßiggänger geworden. Tagsüber wetteiferte man um den günstigsten Standort für Stativaufnahmen des sogenannten Chumphon-Objekts; nachts trieb man die Preise für Alkohol und Logis in die Höhe. Alle miteinander hatten sie mehr Geld im Portemonnaie, als ich in einem Jahr zu Gesicht bekommen hatte.
    Für Journalisten hatte ich nicht viel übrig und das Monument hasste ich bereits. Janice traf keine Schuld am Lauf der Dinge und ich tat mich verständlicherweise schwer, mir selbst die Schuld zu geben, aber ich konnte bedenkenlos das mysteriöse Objekt verantwortlich machen, von dem alle Welt so fasziniert war.
    Der Witz ist, dass ich das Monument bereits gehasst habe, als noch niemand daran gedacht hatte, es zu hassen. Schon bald sollte die Silhouette dieses kühlen blauen Steins zu einem Symbol werden, das die allermeisten Menschen kannten und hassten (oder perverserweise liebten). Doch zur Zeit war ich Weltmeister in dieser Disziplin.
    Die Quintessenz ist vermutlich, dass die Geschichte den Finger nicht immer auf die anständigen Leute legt.
    Und nicht zu vergessen: Es gibt keinen Zufall.
    »Wir brauchen beide eine Gefälligkeit«, sagte Hitch und grinste sein gefährliches Grinsen. »Vielleicht tun wir uns den Gefallen gegenseitig. Ich kann dir vielleicht helfen, nach Hause zu kommen, Scotty. Wenn du dafür etwas für mich tust.«
    »Solche Vorschläge machen mir Sorgen«, sagte ich.
    »Ein bisschen Sorgen können nicht schaden.«
     
    Am Abend druckten die englischsprachigen Zeitungen den Text der Inschrift, die man am Fuß des Monuments entdeckt hatte – ein offenes Geheimnis hier in Chumphon.
    Die Inschrift, zolltief in das Material der Säule getrieben und verfasst in einem Pidgin-Mandarin und Basic-English, war ein schlichtes Statement zur Erinnerung an eine Schlacht. Wir hatten es also mit einer Art Siegessäule zu tun.
    Sie pries die Kapitulation von Süd-Thailand und Malaysia vor den alliierten Streitkräften von »Kuin«, wer oder was immer das war. Und unter dem Text stand das Datum dieser
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