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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen
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Geld am Strand gelegen hatten, durchaus simpel geklungen. Als der Chumphon-Chronolith aufgetaucht war, kannte ich Hitch kaum ein Jahr; er gehörte zu den wenigen Stammkunden des Haat Thai, deren Gesprächsstoff sich nicht in sexuellen Eroberungen und Designerdrogen erschöpfte. Er war ein Meister in dubiosen Geschäften, war aber im Grunde eine ehrliche Haut (wie ich Janice immer wieder beteuert hatte) und »kein schlechter Mensch«. Was immer das hieß. Ich vertraute ihm – in Grenzen natürlich.
    Doch während ich dastand und nach Anzeichen fahndete, ob Easy’s Packages polizeilich überwacht wurde – wobei ich eine professionelle Überwachung sicher nicht bemerkt hätte, es sei denn, das Finanzministerium hätte zufällig eine Anzeigetafel gemietet, um seine Anwesenheit kundzutun –, kamen mir meine Kopfnoten für Hitch oberflächlich und naiv vor. Hitch hatte mich gebeten, Easy’s aufzusuchen, seinen Namen zu nennen und »ein Paket« entgegenzunehmen, das ich solange behalten sollte, bis er sich mit mir in Verbindung setzte; Fragen durfte ich keine stellen.
    Fest stand, dass Hitch ein Dealer war, wiewohl sich sein Strandgeschäft auf Cannabis, exotische Pilze und die milderen Phenylethylamine beschränkte. Und Thailand war seit Marco Polo ein Herkunftsland und ein etablierter Umschlagplatz für Rauschgift.
    Ich war nicht eben bescheiden, was Rauschmittel betraf, und ich hatte nicht wenige probiert. Praktisch jede psychotrope Substanz war irgendwo erlaubt und fast alle waren im liberalen Westen entkriminalisiert, aber in den Vereinigten Staaten und insbesondere in Massachusetts wurde das Befördern harter Drogen unverändert schwer bestraft. Sollte Hitch es irgendwie gedeichselt haben, sich selbst, sagen wir, ein Kilo Black-Tar-Heroin zu schicken – und sollte sein Humor ausreichen, es in meine Obhut zu geben –, dann würde ich mein Ticket in die Heimat womöglich mit Gefängnis bezahlen. Dann würde ich Kaitlin womöglich nur noch durch Drahtglas zu sehen bekommen, mindestens bis zu ihrem dreißigsten Geburtstag.
    Urplötzlich regnete es in Sturzbächen. Ich lief über die Straße, schnaufte die feuchte Luft und betrat Easy’s Packages.
    Easy persönlich oder jemand wie er – ein großer, kompliziert gerunzelter, muskulöser schwarzer Mann von vielleicht sechzig oder achtzig – stand hinter der Hartholztheke und bewachte eine Reihe nebelgrau mattierter Alu-Briefkästen. Er sah mich kurz an. »Kann ich helfen?«
    »Ich bin hier, um ein Paket abzuholen.«
    »Welche Mailbox-Nummer?«
    Hitch hatte mir keine Nummer gegeben. »Hitch Paley sagt, hier wartet ein Paket auf mich.«
    Seine Augen verengten sich und sein Kopf schien sich in plötzlicher Entrüstung um ein Viertelzoll zu heben. »Hitch Paley?«
    Nach dem Tonfall zu urteilen, ging die Sache bereits schief, aber ich nickte.
    »Hitch zum Teufel mit Paley!« Er hieb die Faust auf die Theke. »Ich weiß nicht, wer, zum Teufel, Sie sind, aber wenn Sie zufällig Hitch Paley treffen, dann bestellen Sie dem Arschloch, wir wären noch lange nicht quitt! Er soll sich seine Scheißpakete sonstwo hinstecken!«
    »Sie haben also nichts für mich?«
    »Habe ich was für Sie? Was habe ich denn für Sie? Meine Stiefelspitze hätte ich für Sie!«
    Ich war im Nu zur Tür hinaus.
     
    So wurde aus dem schlechten Journalisten, dem schlechten Ehemann und dem schlechten Vater auch noch ein schlechter Krimineller.
    Der AmMag trug mich aus Massachusetts hinaus, durch den Stadtkorridor in die Hüttensiedlung und das düstere Farmland dahinter. Ich versuchte die Rätsel aus meinem Kopf zu verbannen.
    Irgendetwas war schiefgelaufen zwischen Hitch Paley und Easy’s Packages. Na und? Ich hatte getan, worum Hitch mich gebeten hatte, und ich war offengestanden froh, kein in Pergamentpapier gewickeltes Belastungsmaterial mit mir herumzuschleppen. Das einzige potenzielle Problem war ein Hitch, der in naher Zukunft sein Geld zurückhaben wollte.
    Mitternacht kroch vorüber in der regnerischen Finsternis. Ich kippte meine Rückenlehne nach hinten und dachte über die Zukunft nach. Westlich des Mississippi boomte die Wirtschaft. Die neuen kovalenten Prozessorsockel hatten ein Meer an neuartiger komplexer Software ermöglicht, und ich war mir sicher, bei einem der Silicon-Ring-NASDAQ-Kandidaten zumindest einen Einstiegsjob zu finden. Ich würde meinen Abschluss nutzen, bevor er veraltet war. Und ich würde beizeiten meine Schulden bei Hitch tilgen. So zeugt Verbrechen
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