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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen
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Ko Samui kursierte) und pumpte sie voll mit Antiviralen.
    Janice saß im Warteraum und versuchte wiederholt mich zu erreichen. Doch ich hatte mein Handy in der gemieteten Hütte gelassen, im Rucksack auf dem Regal. Womöglich hätte sie versucht, Hitch zu erreichen, aber Hitch hielt nichts von unverschlüsselter Kommunikation; er hatte ein GPS und einen Kompass bei sich, seiner Meinung nach mehr als genug für einen richtigen Freibeuter.
     
    Als ich durch den porösen Vorhang des Waldes zum ersten Mal einen Blick auf die Säule erhaschte, hielt ich sie für den Chedi eines entfernten Wat, eines buddhistischen Tempels, wie sie über ganz Südostasien verstreut sind. In jeder Enzyklopädie findet man beispielsweise ein Foto von Angkor Wat. Wer sie einmal gesehen hat, würde sie wiedererkennen: turmhohe steinerne Reliquienschreine, die seltsam organisch anmuten, als seien hier im Dschungel die Gebeine eines gigantischen Trolls versteinert.
    Aber dieser Chedi – und ich habe mehrere gesehen, während wir dem Auf und Ab der langen Kammstraße gefolgt sind – hatte nicht die richtige Form, nicht die richtige Farbe. [iv]
    Wir erklommen den Kamm und stießen auf eine Straßensperre der königlichen Thaipolizei, Grenzstreifen und allerlei Bewaffneten in korrodierten Geländewagen. Jedweder Verkehr wurde abgewiesen. Vier Soldaten hatten ihre Waffen auf einen uralten Hyundai- Songthaew gerichtet, der mit zeternden Hühnern beladen war.
    Die Grenzpolizisten sahen blutjung und ziemlich feindselig aus, sie trugen Khakiuniform und Pilotenbrille und hielten die Gewehre in nervöser Bereitschaft. Ich ließ Hitch wissen, dass ich sie auf keinen Fall zu provozieren gedachte.
    Ich weiß nicht, ob er es gehört hatte. Seine Aufmerksamkeit galt dem entfernten Monument – wie ich es diesmal nennen will.
    Wir konnten es jetzt deutlicher sehen. Es stand auf einer höheren Bergterrasse, teilweise hinter einem Dunstring verborgen. Die Größe war ohne sichtbare Relation schwer abzuschätzen, doch ich ging davon aus, dass es mindestens hundert Meter hoch war.
    Bei unserem derzeitigen Wissensstand hätten wir es gut und gerne für ein Raumschiff oder eine Waffe halten können, doch die Wahrheit ist, dass ich es, sowie ich klare, unverstellte Sicht hatte, für eine Art Denkmal hielt. Man stelle sich ein abgestumpftes Washington Monument aus himmelblauem Glas und mit allseits abgerundeten Ecken und Kanten vor. Ich hatte keinen Schimmer, wer es fabriziert hatte oder wie es dorthin gekommen war – offenbar in einer einzigen Nacht –, doch bei all seiner Fremdheit sah es eindeutig nach Menschenwerk aus, und Menschen fabrizieren solche Objekte nur zu einem Zweck: um sich kundzutun, um ihre Präsenz und ihre Macht zu demonstrieren. Dass es überhaupt hier war, war schier unglaublich, doch es gab keinen Zweifel – es war massiv, wuchtig, imposant und passte hierher wie die Faust aufs Auge.
    Dann stieg der Dunst und trübte die Sicht.
    Zwei Uniformierte kamen forsch und sichtlich missgelaunt auf uns zu. »Wie es aussieht«, sagte Hitch – die gedämpfte, gedehnte Aussprache des Südwestlers klang in dieser Situation ein bisschen zu gedehnt –, »wimmelt es hier bald von US- und UN-Ärschen und noch mehr von diesen Scheißbullen.« Über dem Kamm kreiste bereits ein neutraler, aber unverkennbar militärischer Hubschrauber, der Abwind wühlte den Bodennebel auf.
    »Dann lass uns umkehren«, sagte ich.
    Er knipste ein einziges Mal, dann steckte er die Kamera weg. »Nicht unbedingt. Es gibt einen Schmugglerpfad, der sich da raufschraubt. Er zweigt eine halbe Meile hinter uns von der Straße ab. Den kennen nur wenige.« Er grinste.
    Vermutlich habe ich zurückgelächelt. Dann kamen mir Bedenken, knüppeldick, doch ich kannte Hitch und wusste, er würde sich das nicht ausreden lassen. Hinzu kam, dass ich hier nicht ohne fahrbaren Untersatz zurückbleiben wollte. Er machte mit seinem Motorrad kehrt und die Thai-Cops starrten wütend unserem Auspuff hinterher.
    Das war wohl gegen zwei oder drei Uhr nachmittags, um die Zeit also, da aus Kaitlins linkem Ohr blutiger Eiter zu sickern begann.
     
    Wir fuhren den Schmugglerpfad hinauf, solange er befahrbar war, dann versteckten wir die Daimler in einem Dickicht und gingen noch eine Viertelmeile zu Fuß.
    Der Pfad war beschwerlich, ausgesucht wegen der Deckung, die er bot, nicht wegen seiner Bequemlichkeit. Steile Immobilie, nannte Hitch ihn. Hitch hatte sich aus der Satteltasche der Daimler bedient und trug
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