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Die Chaos Queen

Die Chaos Queen

Titel: Die Chaos Queen
Autoren: Janet Evanovich
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er immer so blass wirkte. Sein Teint war oft so bleich wie der der Toten. Nicht von Tod oder Krankheit ausgezehrt, aber auch nicht ganz menschlich. Ich hielt es für ein Gerücht, aber Grandma behauptete steif und fest, Con würde die Leichenschminke an sich selbst ausprobieren.
    Constantine Stiva war jeden Abend von Trauernden umgeben und tagsüber mit den Toten allein. Nach der abendlichen Aufbahrung ging er in sein steriles Haus. Und wenn man ihm glauben durfte, hatte er einen Sohn, der nach Burg zurückgekehrt war, aber nie bei ihm vorbeigeschaut hatte. Morelli hatte gesagt, Spiro sei eine zielstrebige Ratte. Ich hielt Spiro für einen Schmarotzer. Er ernährte sich von seinem Wirt, und sein Wirt war schon immer Con gewesen.
    Ich zog die Kellertür auf, knipste das Licht an und schlich vorsichtig die Treppe hinunter.
Heureka!
Hier war der Raum, den ich gesucht hatte: ein fensterloses Kellerverlies, das zu einem Apartment umgebaut worden war. Auf einer Couch lagen ein zerknüllter Schlafsack und ein Kopfkissen. Es gab einen Fernseher. Einen gemütlichen Sessel, der schon bessere Tage gesehen hatte. Einen zerkratzten Couchtisch. Ein Bücherregal, das mit Dosensuppen und Crackerpackungen gefüllt war. An der hinteren Wand waren ein Waschbecken und eine Küchentheke eingebaut. Darauf stand eine Kochplatte, darunter war ein kleiner Kühlschrank. Es war das perfekte Schlupfloch für Spiro. Neben der Küchentheke befand sich eine Tür. Da geht’s ins Bad, dachte ich.
    Ich öffnete die Tür und sah in den Raum, Ich hatte ein winziges Badezimmer erwartet, doch vor mir lag die Werkstatt eines Leichenbestatters: zwei lange Tische, darauf Farbtuben, Pinsel, zwei große Plastikkisten mit Modelliermasse, Perücken und Haarteilen sowie Paletten mit Kosmetik und Gläser mit Ersatzzähnen. Und auf einem Stuhl in der Ecke lagen eine Jacke und ein Hut. Spiros.
    Mein Handy hing an meinem Gürtel neben der Pistole. Ich hakte es aus und wollte wählen, doch es gab keinen Empfang im Keller. Gerade wollte ich zur Tür, als mir etwas Buntes ins Auge fiel: eine gummiartige Masse, die wie roher Frühstücksspeck aussah. Ich ging näher heran und erkannte, dass es mehrere Teile des Materials waren, das Bestatter zur Gesichtsrekonstruktion verwenden. Ich wusste nicht viel über die Technik, mit der man Tote für ihren letzten »Auftritt« herrichtete, aber ich hatte schon Fernsehsendungen über Maskenbildner geschaut, und das hier sah genauso aus. Ich wusste, dass man Menschen mit diesem Material in Tiere oder Aliens verwandeln konnte. Man konnte damit junge Schauspieler auf alt schminken und einem gerade Verstorbenen ein gesundes, frisches Aussehen verleihen. Stiva war ein Genie beim Herrichten von Toten. Er machte die Wangen voller, glättete Falten, ließ überschüssige Haut verschwinden. Er verschloss Schusswunden, setzte Zähne ein, deckte blaue Flecke ab und richtete, falls notwendig, Nasen.
    Stiva war das Trostpflaster von Burg. Die Bewohner unseres Viertels wussten, dass ihre Geheimnisse und Makel bei Stiva in sicheren Händen waren. Stiva sorgte dafür, dass die Dicken dünn aussahen und die Leberkranken gesund. Er tilgte die Spuren von Zeit, Alkoholabhängigkeit und Maßlosigkeit. Für die Damen wählte er den schmeichelhaftesten Lippenstift. Die Krawatte für den Herrn suchte er eigenhändig aus. Selbst der zweiundfünfzigjährige Mickey Branchek, der auf Mrs. Branchek einen Herzinfarkt erlitt und daher mit einer gewaltigen Erektion starb, die dem Ausdruck »Leichenstarre« eine ganz neue Bedeutung verlieh, wirkte bei seinem letzten »Auftritt« ausgeruht und anständig. Am besten stellte man sich nicht vor, wie Stiva das zustande gebracht hatte.
    Spiro hatte seinem Vater bei der Arbeit zugesehen und kannte seine Techniken. Daher war es keine Überraschung, dass der Leberfleck aus Modelliermasse geformt worden war. Verstörender waren schon die Plastikstücke, die auf dem Tisch lagen. Sie erinnerten mich an Spiros Narben. Da wurde mir klar, dass Spiro die Fähigkeit besaß, sein Aussehen zu verändern. Ein völlig gesunder Spiro konnte sich selbst grauenhaft entstellen. Aus nächster Nähe würde er keinem etwas vormachen können, aber ich hatte ihn ja nur von Weitem erblickt, im Auto. Und Chester Rhinehart hatte ihn nachts gesehen. Wenn ich hier wirklich eine Maskierung vor mir hatte, dann war das verdammt gruselig.
    Ich hörte ein Geräusch hinter mir und drehte mich um. In der Tür stand Con.
    »Was machst du hier? Wie bist
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