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Die Bucht der schwarzen Perlen

Die Bucht der schwarzen Perlen

Titel: Die Bucht der schwarzen Perlen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Südwest und treibt mich ab. Der Scheißmotor ist viel zu schwach, um mit ihm noch einen Kurs zu halten. Also treibt uns der Wind dorthin. Und dort liegt eine Insel, nur zwanzig Meilen entfernt. Ob bewohnt oder unbewohnt, das ist doch gleichgültig. Es ist Land, Land, fester Boden … und man verhungert langsamer, als man ersäuft. Du lieber Himmel, was sind schon Meilen?! Die schaffst du doch, alter Knabe von Motor. Die mußt du einfach noch schaffen!
    Er band das Ruderrad los, änderte den Kurs und drückte den Maschinenhebel bis zum Anschlag. Volle Kraft … verdammt, spucke, und röchle, Motor, aber halt durch!
    Und das Meer kam immer näher, das Boot sank immer tiefer in die See. Die kleine Kabine war bereits zwanzig Zentimeter hoch unter Wasser, und es regnete, regnete … Nein, das war kein Regen mehr, das war ein Guß aus aufgeschlitzten Wolken.
    Plötzlich röchelte der Motor heiser auf, stieß einen Laut aus, der wie ein Wehklagen klang, und schwieg dann. Das aufsteigende Wasser hatte ihn erreicht und abgewürgt.
    »Das war's. Amen!« sagte Ron und drückte die Stirn gegen das Glas der Fahrerstandtür. Er starrte hinaus auf das schäumende Meer und betrachtete die kraftvolle Schönheit seines Mörders.

2.
    Es gibt Menschen, die sehen in einer solchen Situation keinen Ausweg mehr, sie setzen sich hin und beten. Es gibt andere, die an der Verzweiflung zerbrechen, sich die Seele aus dem Leib schreien und in den Wahnsinn flüchten. Und es gibt Menschen, die sich ganz still in eine Ecke setzen, die Augen schließen und ergeben das Ende abwarten.
    Ron Edwards war anders. Er gab nicht auf, solange er noch denken und handeln konnte. Er kämpfte, auch wenn er sich sagte, daß es eigentlich sinnlos sei. Das Meer war stärker, da gab es keinen Zweifel, und wenn er das Meer überlebte, waren da noch immer die Haie. Es war zu überlegen, was besser war: zu ertrinken oder in Stücke gerissen und gefressen zu werden. Kämpfen wir zunächst mal gegen das Meer, dachte Ron. Dann wird man weitersehen.
    Er holte aus einem Schapp die zur Ausrüstung gehörende Schwimmweste, legte sie an, drückte sich durch den Rettungsring, hangelte sich um das Führerhaus herum zum Heck des Bootes, wo an gebleichten Seilen ein winziges, bereits farblos gewordenes Schlauchboot hing, band es los, sprang hinein und ließ sich mit der nächsten Welle wegtragen.
    Minuten später sah er, wie sein Boot von einer großen Welle in die Tiefe gerissen wurde. Es wird nie auf dem Meeresboden ankommen, dachte er. Hier ist eine der tiefsten Furchen der Weltmeere, der Tongagraben. Über elftausend Meter geht es hinunter, dreitausend Meter mehr, als der Mount Everest hoch ist. Wer kann sich das vorstellen? Der Druck des Meeres wird das Boot zermalmen, und die zerrissenen Bretter werden von den Wellen fortgetragen.
    Ron legte sich in das kleine Schlauchboot, klammerte sich an den seitlichen Halteseilen fest und wartete darauf, daß nun auch der Gummi brüchig würde und nur noch das Schwimmen übrigblieb.
    Es gibt nichts Gemeineres als einen Tropenregen. Er setzt ganz plötzlich ein, ebenso plötzlich hört er wieder auf. Dann brennt die Sonne erneut vom Himmel, als sei nichts geschehen, als habe man nur geträumt von herunterstürzenden Wassermassen. Und auch der Wind tobt nicht mehr über das Meer, sondern ist nur noch ein leises Fächeln, das die Haut streichelt.
    Seit zwei Stunden trieb Ron in dem alten Schlauchboot umher. Als der Regen aufhörte, die Sonne ihn zu trocknen begann und seinen Körper mit einer dünnen, brennenden Salzschicht überzog, meldete sich der Durst. Aber es gab nichts zu trinken. Das einzige, was er hatte noch mitnehmen können, war ein Beutel aus grünem Leinen. In ihm befanden sich Rons Papiere, die Signalpistole, ein Karton mit Signalpatronen, ein Sägemesser und eine Schere. Notausrüstung fürs Überleben.
    Eine Flasche Wasser und ein Päckchen Zwieback wären jetzt nützlicher gewesen, dachte Ron bitter. Da hat man nun alles durchgespielt, das Überleben im Urwald und im Dschungel, sogar in der Wüste. Man hat sich überlegt, wie man aus Schlangenfleisch Flüssigkeit preßt oder das Wasser aus den Kakteen saugt.
    Nur an das Meer hat man nicht gedacht! Wasser überall – und man kann es nicht trinken, weil es Salzwasser ist. Überleben auf dem Meer wurde nicht geübt, hier war der Mensch kleiner als die Natur. Hier konnte sie nicht überlistet werden.
    Also lassen wir uns vertrocknen, dachte Ron. Das Meer haben wir besiegt,
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