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Die Bucht der schwarzen Perlen

Die Bucht der schwarzen Perlen

Titel: Die Bucht der schwarzen Perlen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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streckte er den Männern entgegen … das verstanden alle, selbst die Ureinwohner von Papua: das Zeichen der Wehrlosigkeit, der Beweis, keine Waffen zu haben.
    Aus der Gruppe der drei Männer löste sich ein älterer Eingeborener und kam langsam auf Ron zu. Er hielt einen Speer mit einer gezackten Eisenspitze in der Hand, hatte seinen muskulösen Körper mit einem buntgefärbten Rock aus gesponnenen Palmfasern umhüllt, und um den Hals trug er eine Muschelkette, die auf der Brust mit einem Medaillon aus Haifischzähnen zusammengehalten wurde. Ohne Zweifel – er war das Oberhaupt der Insel.
    Ron blieb stehen und warf einen raschen Blick zu den Kindern hinüber, die ihre dicken Steine wurfbereit hielten. So bemerkte er, daß noch mehr Männer zwischen den Palmen lauerten, mit Lanzen, Pfeilen und Bogen bewaffnet. Vergiftete Pfeile waren es bestimmt, die immer tödlich waren, auch wenn sie nur die Haut ritzten.
    Der Mann mit dem Speer blieb drei Meter vor Ron stehen, hob seine linke Hand, die Handflächen zu Ron gekehrt, und sagte mit einer tiefen Stimme: »Talitali fiefia, Tangata'eiki.« (Willkommen, Herr.)
    Ron Edwards ließ die Arme sinken. Er verstand zwar kein Wort, aber die Haltung des alten Mannes sagte ihm, daß er nichts zu fürchten hatte. Trotzdem ging er sehr langsam weiter, erst den sanft sich zum Meer neigenden Strand hinauf, dann blieb er unter einer stark gebogenen Palme stehen und drehte sich um. Die drei Männer waren dicht hinter ihm, lautlos, ohne daß er einen Schritt gehört hatte.
    »Spricht hier niemand Englisch?« fragte Ron.
    Das ›Englisch‹ mußten sie verstanden haben; sie schüttelten die Köpfe, und der speertragende Mann sagte: »'Ikai« (Nein.) Dabei zeigte er zu den Hütten hinüber. Die Frauen verschwanden blitzschnell unter den hohen, schwungvollen, spitz zulaufenden Dächern, und die Kinder ließen die Steine fallen und sahen nur noch neugierig zu dem Fremden hinüber.
    »Was nun?« murmelte Ron. »Alter Junge, sieh mich an, dann weißt du, woher ich komme. Aber wie mache ich dir das klar? Versuchen wir's mal mit der Pantomime. Was die Papuas verstanden haben, wirst du auch verstehen. Also … paß auf!«
    Ron zeigte auf sich, tippte dabei auf seine Brust und nickte.
    »Mein Name ist Ron Edwards. Ich komme aus Tongatapu.« Dabei zeigte er auf das Meer und machte mit der linken Hand die Bewegung eines Schiffes.
    Der alte Mann nickte und grinste breit.
    »Ko hoku hingoa ko Fatahefi Tápana«, antwortete er und zeigte auf sich. (Mein Name ist Fatahefi Tápana). Dann machte er eine weite Handbewegung zu den Palmen hin. »Tonu'Ata …«
    »Na also, es funktioniert ja hervorragend! Du bist also Fatahefi Tápana, und die Insel heißt Tonu'Ata.« Ron nickte zustimmend, zeigte wieder auf das Meer, machte die Bewegung des Paddelns, ließ die Hand nach unten fallen und warf dann den Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken.
    Tápana verstand sofort. Er ging an Ron vorbei, drehte sich dann um und winkte, ihm zu folgen. »'Alu –«, sagte er dabei, was ›gehen‹ bedeutete, wie Ron gleich erriet.
    Er führte Ron zu einer besonders großen und bunt bemalten Hütte in der Mitte des Dorfes – sein Haus, das Haus des Stammesfürsten, das war Ron sofort klar – und ließ ihn eintreten.
    Angenehm kühl war es hier. Das hohe Dach, mit Palmenblättern gedeckt, wirkte wie eine Ventilation. Die Luftzirkulation ließ keinen Hitzestau aufkommen. Ron sah eine große, buntbemalte Strohmatte an der Hinterwand des Raumes, und plötzlich befreit von dem Gedanken, er habe nur die Wahl, entweder zu verdursten oder von den Haien gefressen zu werden, überkam ihn eine lähmende Müdigkeit. Er taumelte auf die Matte zu, ließ sich darauffallen und machte mit beiden gewölbten Händen die Geste des Trinkens. Tápana nickte wieder, lehnte den Speer an die Wand und verließ den Raum.
    Ron legte sich auf den Rücken und starrte gegen das hohe Dach mit den kunstvoll geschnitzten Balken aus Palmenholz und dem Flechtwerk der Decke. Gerettet bin ich, dachte er, aber die Lage ist dennoch beschissen! Auf einer Insel bin ich gelandet, an der die Jahrhunderte spurlos vorbeigegangen sind. Daß es so etwas noch gibt …
    Er merkte gar nicht, daß sich die Erschöpfung immer mehr in ihm ausbreitete und er einschlief. Nur im Unterbewußtsein spürte er seine ausgetrocknete Kehle und begann, krampfhaft zu schlucken.
    Ein Gefühl, als ränne Wasser über seinen Körper, weckte ihn auf. Ein herrliches Gefühl war das. Er reckte
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