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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder
Autoren: Jan Guillou
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Unkraut. Er behauptete, dass ihm diese Arbeit das Gefühl gebe, sich als Gast nützlich machen zu können. Gleichzeitig könne er so am besten vom Schreiben entspannen.
    Er ließ sich jedoch nicht zweimal bitten, als ihn Sverre fragte, ob sie den Brief gemeinsam durchgehen und den eigentlichen Inhalt analysieren könnten. Sie holten Bier und zogen sich auf eine entlegene Bank an einem See­rosenteich im Garten zurück.
    In mehreren Punkten waren sie sich rasch einig.
    Die Jagd auf die deutschen Truppen war vollkommen erfolglos, nichts deutete darauf hin, dass der Sieg für die britische Seite in greifbare Nähe gerückt war.
    Die Bedingungen waren aufgrund der Sümpfe, der Dschungelvegetation und der abscheulichen Temperaturen, aber auch wegen der Malariamücken und der Tsetsefliegen, die die englischen Pferde töteten, höllisch.
    Weiterhin schien es unmöglich zu sein, die deutsche Taktik, sich zurückzuziehen, auf die Verfolger zu warten, einige englische Offiziere mit Kopfschüssen zu töten und sich dann erneut zurückzuziehen, zu parieren.
    Ganz genau: sie zu töten. Albie hatte berichtet, dass die Hunnen, ein Wort, das er sonst nie verwenden würde, sich einen geschmacklosen Scherz mit den britischen Offizieren erlaubten, indem sie ihnen den Helm vom Kopf schossen, was sehr glaubwürdig klang. Maynard wies darauf hin, dass es um ein Vielfaches schwieriger sei, jemanden mit einem Streifschuss den Helm vom Kopf zu schießen, als direkt ins Ziel. Natürlich schossen sie, um zu töten, und das mit fürchterlichem Erfolg.
    Eine Andeutung in diesem Zusammenhang verwirrte Maynard jedoch. Warum folgte Albie nicht dem Beispiel seiner Offizierskollegen und nahm die deutliche Zielscheibe, den weißen Helm, einfach ab, wenn sie sich dem Feind näherten? Im Brief hieß es, Sverre verstehe sehr wohl, ­warum nicht. Was war wohl damit gemeint?
    Es gehe darum, Mut zu beweisen, erklärte Sverre mit düsterer Miene und erzählte von der Diskussion, die sie darüber geführt hatten, warum Albie überhaupt Zeit bei der kämpfenden Truppe verbringen sollte, obwohl allein der Gedanke schon so abstoßend war. Dann erzählte er, wie sie von einem Mob vor dem St. James’s Theatre bei­nahe gelyncht worden wären und daraus die Schlussfol­gerung gezogen hatten, dass jene Männer, die Männer liebten, nach Kriegsende ein fürchterliches Schicksal erwartete, da man sie als feige und damit als Landesverräter abstempeln würde. Das Hauptproblem bestand also darin, dass Feigheit, Homosexualität und Landesverrat gleichgesetzt wurden. Albie fiel folglich der Auftrag zu, mutig zu sein und den lebenden Gegenbeweis zu bieten.
    Auf diese Erklärung hin murmelte Maynard besorgt, dass Albie aber ein unnötig großes Risiko einginge, um seinen Mut unter Beweis zu stellen. Der Umstand, dass man für die Tötung eines Scharfschützen eine Belohnung von 50 Pfund ausgesetzt hatte, deute auf eine verzweifelte Lage der King’s African Rifles hin. 50 Pfund! Eine unglaubliche Summe, besonders für einen schwarzen Soldaten. Also musste die britische Seite eine große Zahl gefallener Offiziere auf­weisen.
    Am deprimierendsten war jedoch, dass Albie weder an einen Sieg glaubte noch daran, je wieder nach Hause zurückzukehren. Am Ende des Briefes wiederholte er drei Mal, dass er nach Hause zurückkommen würde, und dieser Nachdruck ließ nur diesen Schluss zu.
    Und was hatte das rätselhafte Postskriptum zu bedeuten? Warum befürwortete er eine Heirat Sverres und Margies?
    Möglicherweise wollte er der Briefzensur gegenüber betonen, dass sich weder er selbst noch Sverre kriminellen sexuellen Neigungen hingaben. Das war die optimistische Deutung.
    Es gab jedoch auch eine niederschmetternd pessimis­­­tische Lesart. Maynard zögerte, diesen Gedanken zu Ende zu führen, aber er hatte bereits zu viel gesagt und fuhr mit der Entschuldigung fort, wahrscheinlich nur, um den Teufel an die Wand zu malen.
    Wenn Albie weder an den Sieg noch an sein Überleben, glaubte, dann war ja die ganze Idee, an einem vermeintlich ungefährlichen Frontabschnitt Flagge zu zeigen, sinnlos.
    Also schlug er Sverre eine andere Methode vor, um nicht seiner verbotenen Liebe wegen gelyncht zu werden: eine Heirat zwecks Tarnung. Wobei er nicht unbedingt Margie ehelichen musste, obwohl diese sich sicherlich dazu bereit erklären würde.
    Wie Duncan, der zwar mit Vanessa verheiratet war, aber trotzdem die Nächte mit Bunny verbrachte. Selbst Lytton Strachey lebte im Augenblick mit einer
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