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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai
Autoren: Pierre Boulle
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Chefs ersetzen. Auch davon war er fest überzeugt. Niemals kann man alles voraussehen. Ein Leben voller Erfahrungen hatte auch ihn gelehrt, daß sich im letzten Augenblick immer ein Zwischenfall ereignen, ein winziger Fehler sich herausstellen kann. In einem solchen Falle taugt der beste Untergebene nichts, wenn es darauf ankommt, eine schnelle Entscheidung zu treffen. Er hielt selbstverständlich gar nichts von dem Rapport, den die japanische Streife abgegeben hatte, die von Saito heute morgen abkommandiert worden war. Er wollte mit eigenen Augen sehen. Er prüfte im Vorüberschreiten die Festigkeit eines jeden Pfeilers und vergewisserte sich, ob das Fugenwerk noch intakt war.
    Nachdem er die Mitte der Brücke überschritten hatte, beugte er sich über das Brückengeländer, wie er es alle fünf oder sechs Meter bereits getan hatte. Er sah einen Pfeiler genau an und blieb überrascht starr stehen.
    Das Auge des Meisters hatte auf den ersten Blick den starken, von dem oberen Ende einer Sprengladung hervorgerufenen Wasserstrudel bemerkt. Als er genauer hinsah, entdeckte Oberst Nicholson undeutlich eine braune Masse an dem Holz. Er zögerte einen Augenblick, nahm seinen Marsch wieder auf und blieb ein paar Meter weiter über einem anderen Pfeiler stehen. Wieder lehnte er sich über das Geländer.
    »Seltsam«, murmelte er.
    Er zögerte noch mal, überquerte den Schienenstrang und blickte auf der andern Seite hinunter. Dort sah er wieder einen braunen Gegenstand, der kaum noch einen Daumenbreit vom Wasser bedeckt war. Dies löste bei ihm ein undefinierbares Unbehagen aus, als hätte er einen Fleck entdeckt, der sein Werk verunreinigte. Er beschloß, seinen Marsch fortzusetzen, ging bis ans Ende der Brücke, drehte um, ging die Strecke zurück, genauso wie es die Streife getan hatte, blieb wieder stehen und wurde sehr nachdenklich. Dabei schüttelte er den Kopf. Schließlich zuckte er mit den Schultern und kehrte auf das rechte Ufer zurück.
    Er sprach mit sich selber.
    »Das war doch vor zwei Tagen noch nicht da«, murmelte er. »Es stimmt, daß der Fluß viel höher war… Vielleicht ist es Schlamm, der sich an den Pfeilern festgesetzt hat. Immerhin…«
    Ein winziger Verdacht schoß ihm durch das Gehirn, doch die Wahrheit war zu ungewöhnlich, als daß er sie hätte klar erkennen können. Immerhin hatte er seine heitere Ruhe eingebüßt.
    Der Vormittag war ihm verdorben. Er machte kehrt, um sich noch einmal diese ungehörige Sache anzusehen, konnte keine Erklärung dafür finden und gelangte endlich, immer noch aufgeregt, an das Ufer zurück.
    »Das ist doch nicht möglich«, murmelte er, indem er den unbestimmten Argwohn erwog, der ihn gestreift hatte, »es sei denn, daß eine von diesen Banden chinesischer Bolschewisten …«
    Sabotage war in seinem Denken unaufhörlich mit den feindlichen Banditen verbunden.
    »Das ist doch aber hier nicht möglich«, wiederholte er, ohne indessen seine gute Laune wiederzufinden.
    Der Zug war jetzt, noch sehr von fern allerdings, sichtbar, wie er über das Geleis herankeuchte. Der Oberst rechnete sich aus, daß er vor zehn Minuten nicht da sein würde.
    Saito, der zwischen der Brücke und der Kompanie hin und her ging, sah ihn mit dem Gefühl der Verlegenheit ankommen, das er immer in seiner Gegenwart empfand. Oberst Nicholson faßte, als er sich dem Japaner näherte, einen jähen Entschluß.
    »Oberst Saito«, sagte er gebieterisch, »da ist irgend etwas nicht ganz in Ordnung. Es wird besser sein, danach zu sehen, ehe der Zug über die Brücke fährt.«
    Ohne die Antwort abzuwarten, stürzte er Hals über Kopf schnell die Böschung hinunter. Er hatte die Absicht, das kleine, unter der Brücke festgemachte Eingeborenenboot zu nehmen und rings um die Pfeiler herumzufahren. Als er auf dem Strand ankam, ließ er instinktiv seinen geübten Blick der ganzen Länge nach darüber hinschweifen und entdeckte auf den glitzernden Kieseln die elektrische Leitung. Oberst Nicholson zog die Augenbrauen hoch und ging auf den Draht zu.

7
    In diesem Augenblick, da er mit der Behendigkeit, die ihm die tägliche Ausübung einer maßvoll betriebenen Gymnastik und die friedliche Beschaulichkeit traditioneller Wahrheiten bewahrt hatten, die Böschung hinabstieg, geriet er in das Gesichtsfeld von Shears. Der japanische Oberst folgte ihm auf dem Fuße. Shears begriff in diesem Moment nur, daß das widrige Schicksal noch nicht alle seine Karten ausgespielt hatte. Joyce hatte es seit langem gesehen. Joyce
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