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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai
Autoren: Pierre Boulle
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hatte in dem Zustand der Hypnose, in den er sich hineingesteigert hatte, das Treiben des Obersten auf der Brücke beobachtet, ohne dadurch eine neue Erregung zu verspüren. Er griff nach seinem Dolch, sobald er hinter dem Oberst auf dem Strand den Schatten von Saito bemerkte.
    Shears sah den Oberst Nicholson näher kommen, der den japanischen Offizier hinter sich herzuziehen schien. Angesichts der für ihn unverständlichen Situation fühlte er sich von einer Art Hysterie gepackt und fing an, vor sich hinzusprechen:
    »Und der andere ist es, der ihn hinführt! Es ist der Engländer, der ihn dorthin führt. Es würde genügen, ihm zu erklären, ihm ein Wort zu sagen, ein einziges…«
    Das Keuchen der fauchenden Lokomotive war von fern zu hören. Sämtliche Japaner mußten auf ihrem Posten sein, bereit, die Ehrenbezeigungen abzugeben. Die beiden Männer auf dem Strand konnten vom Lager aus nicht gesehen werden. »Number One« machte eine heftige Bewegung, als er plötzlich klar erkannte, wie die Dinge standen, und sein noch gut funktionierender Instinkt ihm deutlich sagte, was unumgänglich zu geschehen hatte, wie Männer, die sich unter dem Banner der »Plastic & Destructions Co. Ltd.« anwerben lassen, unter solchen Umständen handeln mußten. Auch er griff nach seinem Dolch. Er riß ihn von seinem Gürtel und hielt ihn in der vorgeschriebenen Weise vor sich umgekehrt in der Hand, mit den Fingernägeln unten und dem Daumen auf der Stelle, wo die Klinge aus dem Griff wächst, nicht um ihn zu verwenden, sondern in einem sinnlosen Versuch, Joyce suggestiv zu beeinflussen, aus dem gleichen instinktiven Gefühl heraus, das ihn etwas früher gedrängt hatte, die Bewegungen der Streife mit seinem Blick zu verfolgen.
    Oberst Nicholson war vor der elektrischen Leitung stehengeblieben. Saito, der auf seinen kurzen Beinen hin und her wackelte, näherte sich. Sämtliche Gefühlsregungen des Vormittags waren ein Hohngelächter im Vergleich zu dem Gefühl, das Shears in dieser Sekunde empfand. Er schickte sich an, mit lauter Stimme zu schreien, wobei er mit dem Dolch in Kopfhöhe vor sich her fuchtelte.
    »Er wird es nicht fertigbringen! Er wird es nicht fertigbringen! Es gibt Dinge, die man von einem Jungen in seinem Alter, der eine normale Erziehung genossen und seine Jugend in einem Büro verbrachte, nicht verlangen kann. Ich bin wahnsinnig gewesen, daß ich ihn habe gewähren lassen. Ich hätte seinen Platz einnehmen müssen. Er wird es nicht fertigbringen!«
    Saito hatte den Oberst Nicholson erreicht, der sich gebückt und die Leitung in die Hand genommen hatte. Shears schlug das Herz laut in der Brust wie eine Begleitmusik zu dem Wahnsinn verzweifelter Jammerschreie, die er zwischen den Zähnen hervorstieß und die ihm stoßweise in abgerissenen, wutschäumenden Sätzen entschlüpften.
    »Er wird es nicht fertigbringen! Noch drei Minuten, noch drei Minuten, und der Zug ist da! Er wird es nicht fertigbringen!«
    Einer von den thailändischen Partisanen, der neben seiner Waffe kauerte, warf ihm entsetzte Blicke zu. Glücklicherweise erstickte der Dschungel den Laut seiner Stimme.
    Er hatte sich zusammengerissen und umklammerte mit der Faust den Dolch vor seinen Augen.
    »Er wird es nicht fertigbringen! Allmächtiger Gott, laß ihn wahnsinnig werden, laß ihn zehn Sekunden lang rasend werden vor Wut…!«
    In dem Augenblick, in dem er sein irrsinniges Gebet ausstieß, gewahrte er in dem Blattwerk unter dem rötlichen Baum eine Bewegung, und das Buschwerk öffnete sich.
    Sein Körper erstarrte, und er hörte auf zu atmen. Geduckt stieg Joyce mit dem Dolch in der Hand geräuschlos die Böschung hinunter. Der Blick von Shears richtete sich auf ihn und ließ ihn nicht mehr los.
    Saito, dessen Gehirn langsam arbeitete, hatte sich am Uferrand mit dem Rücken zum Dschungel in der allen Orientalen vertrauten Art niedergekauert, einer Haltung, die er instinktiv einnahm, wenn irgendein besonderer Umstand ihn daran hinderte, sich selber zu überwachen. Er hatte seinerseits die Leitung in die Hand genommen. Shears hörte einen englisch gesprochenen Satz.
    »Das ist wirklich beunruhigend, Oberst Saito.«
    Dann folgte ein kurzes Schweigen. Der Japaner befingerte die verschiedenen Drahtfäden der Leitung. Joyce war, ohne gesehen zu werden, im Rücken der beiden Männer aufgetaucht.
    »Aber großer Gott«, brüllte plötzlich Oberst Nicholson, »die Brücke ist mit Minen versehen, Oberst Saito! Das sind die verdammten Sprengladungen, die ich
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