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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai
Autoren: Pierre Boulle
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war in dem Lager am Kwai-Fluß mit einem besonderen Prunk gefeiert worden. Oberst Nicholson hatte dafür gesorgt. Überall auf der Strecke waren dem Fest die üblichen Reden höherer japanischer Offiziere, Generale und Obersten vorangegangen, die mit schwarzen Schaftstiefeln und grauen Handschuhen auf Tribünen standen, mit den Armen umherfuchtelten und die Sprache der abendländischen Welt in grotesker Weise verunstalteten, während sie vor den Scharen weißer, verkrüppelter, kranker, mit Geschwüren bedeckter Männer, die durch einen Aufenthalt von mehreren Monaten in der Hölle bereits Halluzinationen hatten, ihre Reden hielten.
     
    Saito hatte einige Worte gesprochen und natürlich den südasiatischen Raum überschwenglich gepriesen, sich aber auch dazu herabgelassen, Dankesworte für das loyale Verhalten zu äußern, das die Gefangenen bewiesen hatten.
    Clipton, dem durch die harten Prüfungen dieser letzten Zeit die innere Heiterkeit vergangen war, der gesehen hatte, wie Sterbende sich zu der Baustelle schleppten, um die Brücke zu beenden, spürte, daß er nahe daran war, vor Wut zu heulen. Er hatte danach eine kleine Ansprache des Obersten Nicholson über sich ergehen lassen müssen, in der dieser seinen Soldaten seine Hochachtung zum Ausdruck brachte und ihre entsagungsvolle Arbeit und ihren Mut lobte. Der Oberst hatte mit den Worten geschlossen, daß sie ihre Leiden nicht umsonst ertragen hätten und daß er stolz sei, das Kommando über solche Männer gehabt zu haben. Ihre Haltung und ihr würdevolles Auftreten im Unglück seien ein Vorbild für die gesamte Nation.
    Danach hatte das Fest stattgefunden. Der Oberst hatte sich dafür interessiert und sich aktiv daran beteiligt. Er wußte, daß es für seine Männer nichts Schrecklicheres gab als die Untätigkeit, und ordnete an, daß sie einen großen Aufwand an Lustbarkeiten zu bieten hätten, deren Vorbereitung sie mehrere Tage lang in Atem hielt. Es waren nicht nur mehrere Konzerte gegeben worden, sondern man hatte von kostümierten Soldaten eine Komödie aufführen lassen, und sogar ein Ballett mit als Tänzerinnen verkleideten Soldaten war aufgetreten, das ihm ein herzhaftes Lachen entlockte.
    »Sehen Sie, Clipton«, hatte er gesagt, »Sie haben mich einmal kritisiert, aber ich habe durchgehalten; ich habe die Moral aufrechterhalten; ich habe die Hauptsache aufrechterhalten. Die Männer haben die Sache durchgestanden.«
    Und das war richtig. Der Geist der Truppe im Lager am Kwai-Fluß war ungebrochen erhalten geblieben. Clipton mußte dies nach einem kurzen Blick auf die Männer, die sie beide umgaben, anerkennen. Es war deutlich zu sehen, daß sie ein kindliches und unschuldiges Vergnügen an diesen Belustigungen empfanden, und die Aufrichtigkeit ihrer Hurrarufe ließ keinen Zweifel an der Vorzüglichkeit ihrer Moral zu.
    Am nächsten Morgen hatten sich die Gefangenen in Marsch gesetzt. Nur die Schwerkranken und die Krüppel waren geblieben. Sie sollten mit dem nächsten Zug, der aus Burma kam, nach Bangkok evakuiert werden. Die Offiziere waren mit ihren Mannschaften abgerückt. Reeves und Hughes waren zu ihrem großen Bedauern gezwungen worden, dem Transport zu folgen, und hatten nicht die Genehmigung bekommen, die Fahrt des ersten Zuges über das Bauwerk mit anzusehen, das ihnen so viele mühevolle Arbeit gekostet hatte. Oberst Nicholson hatte indessen die Erlaubnis erhalten, zu bleiben, um die Kranken zu begleiten. Im Hinblick auf die geleisteten Dienste hatte Saito ihm diese Vergünstigung nicht abschlagen können, die er mit der ihm eigenen würdevollen Haltung gefordert hatte.
    Er marschierte mit großen, energischen Schritten, siegreich dröhnend, über den Brückenbelag. Er hatte gesiegt. Die Brücke war, ohne Prunk, doch mit hinreichend angelsächsischer Gründlichkeit, vollendet worden, um die Vorzüge der abendländischen Völker angesichts des Himmels von Thailand glänzend darzutun. In diesem Augenblick gehörte er hierher als der Chef, der vor der triumphalen Parade die letzte Inspektion durchführt. Er konnte nirgends anders sein. Seine persönliche Anwesenheit tröstete ihn ein wenig über das Abrücken seiner treuen Mitarbeiter und der Mannschaften hinweg, die es ebenfalls verdient hätten, an der Ehrung teilzunehmen. Glücklicherweise war er da.
    Die Brücke war stabil gebaut, das wußte er. Sie wies keine schwache Stelle auf. Sie würde das leisten, was man von ihr erwartete. Doch nichts kann das kritische Auge des verantwortlichen
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