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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes
Autoren: Norman Spinrad
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Wesen. Die Zerstörungskraft der Feuersbrunst und das Gewicht rasender Menschenmassen wirkten zusammen. Es ertönte ein Krachen, als hätte sich der Himmel geöffnet, und der gegenüberliegende Teil des Stadions sackte zusammen. Tausende rissen die Trümmer mit sich in den Tod, viele Tausende mehr wurden von einer Lawine aus Menschenleibern, Stahlträgerstücken und Betonbrocken begraben.
    Doch der größte Teil des Pöbels stürmte nach vorn, die Außenmauer gab nach, und zwischen den stürzenden Träger- und Betontrümmern tat sich eine Schlucht auf, die das Stadion spaltete. Durch den Spalt konnte man die geborstene Palastmauer und die Stadt dahinter sehen …
    Zwischen dem Stadion und dem Stadtgebiet erstreckte sich ein See aus Menschenleibern. Es war ein Meer, das vom Stadion bis zu den Gebäuden der Stadt reichte.
    Viele tausend Fackeln tanzten auf seinen Wellen, und über der Stadt im Hintergrund loderte eine gewaltige Flammenwand, lastete eine riesige, schwere schwarze Rauchwolke. Die Sadianer hatten Feuer an ihre Hütten gelegt.
    Und dann sah Fraden Willem Vanderling.
    Er tanzte auf der Menge wie ein Korken auf einer windgepeitschten See. Das Gesicht war blutbeschmiert, und das rechte Bein war seltsam verdreht wie das einer zertretenen Puppe. Plötzlich schwebte Vanderling über der Menge in der Arena, rollte über die Köpfe der Tiere, die mit tausend Händen an ihm zerrten.
    An seinen rudernden Armen und an den krampfhaften Zuckungen seines Körpers konnte man sehen, daß Vanderling noch am Leben war.
    Dann wurde eines der umgestoßenen Balkengestelle aufgerichtet. Es erhob sich hoch über die Köpfe der Menge, von zahllosen Händen gestützt. Daraufging es in dem Wirbel aus Menschenleibern wieder unter; Hände zerrten Vanderling herab, und auch er verschwand, vom lebenden Treibsand verschlungen.
    Eine Minute später erschienen beide wieder, Vanderling und das Gestell, jetzt waren sie vereint und ragten aufrecht über der blutrünstigen Meute wie ein gräßlicher Totempfahl hoch in die Luft.
    Sie hatten Vanderling an das Gestell genagelt. Seine Unterarme waren blutüberströmt. Vanderlings Kopf schlug in höchster Qual hin und her, sein Körper krümmte sich vor Schmerzen. Er lebte immer noch.
    Wie von einer Kerzenflamme angezogene Motten drängten die Tiere im Stadion durch den klaffenden Spalt zu dem abscheulichen Scheiterhaufen ihrer Stadt. Während sie rannten, stachen sie einander wie tollwütige Hunde in die Eingeweide. Sie metzelten sich gegenseitig nieder auf ihrem Weg nach draußen.
    Jetzt sollte der ganze Planet ihren rasenden Zorn zu spüren bekommen …
    Mit Mord, Plünderung und Vergewaltigung wollten sie den Planeten heimsuchen, ganz Sangre würden sie in eine lange Nacht des Gemetzels, der Raserei und des Kannibalismus stürzen. Sie würde erst dann ein Ende haben, wenn der letzte geifernde Mund den letzten Fleischfetzen vom letzten zersplitterten Knochen gerissen hatte. Die Nachhut dieser Meute trug wie ein Banner, wie ein Zauberzeichen, das Gestell mit dem gekreuzigten Vanderling. Und während sie diesen lebenden Totempfahl vor sich hertrugen, sprangen Männer und Frauen zu ihm herauf, schnappten mit den Zähnen nach Vanderlings Leib. Sie kletterten den Pfahl hinauf, marterten sein Fleisch und fielen wieder herab oder wurden von anderen zurückgerissen.
    Während das Gestell in Richtung auf die Stadt da vonschwankte und bald außer Sicht war und während sich das Stadion durch den gewaltigen Riß zu leeren begann, ertönte von unzähligen Stimmen ein brausender, schrecklicher, höhnischer Sprechchor, der alles durchdringende, nervenzermürbende Anbetungsruf:
    „ BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART ! BART !“
    „Willem! Willem!“ schrie Fraden. Sein Ruf verwehte wie ein Hauch in dem obszönen Stimmorkan des Sprechchors. „Das habe ich nicht gewußt! Wie hätte ich das wissen können …?“
    Willem war ein Schläger, ein Mörder. Er verkörperte alle grausamen und bösen Seiten des Menschen. In den letzten Minuten hatte Willem zweimal versucht, ihn umzubringen. Aber sie hatten in zwei Kriegen Seite an Seite gekämpft. Hatten Lichtjahre gemeinsam durchquert, geredet, gegessen, geflucht, Sieg und Niederlage miteinander geteilt. Was er sonst auch immer gewesen sein mochte, ein Mörder, ein Lügner, ein Verräter – Willem war ein echtes menschliches Wesen. Es war schrecklich, ihn so zu sehen: als zerschlagenes Spielzeug einer Meute tollwütiger
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