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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes
Autoren: Norman Spinrad
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Staub und heißem Gummi davon.
    Quietschend schlingerte der Wagen um eine Ecke des Palastbaus, und Fraden sah, daß der Mob weiter gegen die Stadt vorgerückt war. Alle Gebäudeteile des Palastes lagen in Trümmern. Die Mauern waren an zahlreichen Stellen zerbrochen, überall lag Schutt und Geröll. Die provisorischen Pferche, die den ganzen Innenhof bedeckt hatten, waren verschwunden. Hölzerne Splitter und die verstümmelten Leiber der Fleischtiere, die gemarterten Leichen vieler tausend nackter Kinder, lagen jetzt dort. Über Sade, im Westen, stand eine Feuerwand. Zehntausende von Fackeln zeigten den Weg der Sadianer an, die wie ein lebender Teppich aus Insekten auf die alles verzehrende Feuersbrunst zuströmten.
    Fraden trat das Gaspedal bis zum Boden durch und steuerte den Wagen auf eine trümmerübersäte Lücke in der Ostmauer zu. Der Lastwagen durchbrach die Bresche mit dem durchdringenden Kreischen von Metall auf Beton, und ein Funkenschwarm flog hinter ihm her.
    Fradens Fuß auf dem niedergedrückten Pedal bewegte sich keinen Zentimeter. Der Wagen raste polternd den Hügel hinab, auf dem sich der Palast erhob. Endlich hatten sie das freie Land erreicht.
    Nach Süden, nach Süden ging es, über die weite Ebene. Sophia starrte reglos nach vorn.
    Sie sagte nichts, sie schaute ihn nicht an.
    Etwa fünfzehn Meilen südlich von der Stadt bog Fraden nach Nordwesten ab. Der Wagen holperte brutal über das Land. Jeder Stoß schien Fraden zu verhöhnen, wie Schicksalsschläge kamen sie ihm vor, die er sich doch selber zufügte.
    Endlich hatten sie die Straße erreicht, die nach Westen auf das Guerilla-Camp zuführte. Fraden schwenkte in die Fahrbahn ein, und es ging nach Westen, zum Lager, zum Rettungsboot.
    Entkommen! Entronnen, dachte er, als sie den Westrand der Ebene erreichten, jene Schlucht, die noch von den Überresten der letzten schrecklichen Schlacht bedeckt war. Tausende von Jahren schienen inzwischen vergangen zu sein.
    Stundenlang dauerte ihre schweigende Fahrt.
    Sophia war erstarrt wie eine Puppe, und Fraden bestand nur aus den Händen am Lenkrad, dem Fuß auf dem Gaspedal und einem Verstand, der einen neuen Halt suchte, irgendeinen Platz, auf dem er Fuß fassen konnte. Sie fuhren durch den Dschungel, überquerten Lichtungen, hin und wieder kamen sie an Dörfern vorbei, die alle in Flammen standen. Der Wahnsinn hatte sich rasend schnell wie ein Krebsgeschwür von seinem Herd in Sade ausgebreitet.
    Flucht! Flucht! Wilde Gedanken machten Fraden zu schaffen. Er erinnerte sich an eine andere Flucht, vor weniger als einem Jahr, der Flucht aus dem Gürtel-Freistaat. Was war mit dem kühlen, ruhigen, berechnenden Mann geschehen, der mit einem Lächeln auf den Lippen aus dem Sonnensystem geflohen war? Wo war er verlorengegangen? Wie konnte aus ihm dieses Wesen werden, das einen ganzen Planeten in die Dunkelheit gestürzt hatte? Wie ein Bauer im Schachspiel hatte er sich blindlings von einem unsichtbaren Dämon Schritt für Schritt lenken lassen, bis an den Rand dieses letzten Abgrunds.
    Endlich erreichten sie das Guerilla-Camp. Neben dem glänzenden, antiseptisch wirkenden Beiboot brachte Fraden den Lastwagen zum Stehen. Wortlos stieg er aus und half Sophia aus der Kabine. Er ging hinüber zum Boot und drückte den Knopf für die Luftschleuse. Die äußere Schleusentür glitt geräuschlos nach oben, und einladend lag das Innere des Bootes vor ihm. Wozu lud es ihn ein?
    Er sah zurück zu dem verlassenen Lager, den schweigenden Hütten, den Überresten zahlloser Feuerstellen. In weiter Ferne kräuselte sich eine Rauchwolke über den Baumwipfeln, bald stieg an mehreren Stellen Rauch auf. Es schien, als sei der ganze Planet ein riesiger, zerfallender Leib. Auch Fraden hatte ein Gefühl, als ob er sich auflöste. Wohin sollte er gehen? Was sollte er tun?
    Er dachte an den Augenblick, da er zum ersten Mal seinen Fuß auf den Boden von Sangre gesetzt hatte. Ein Fremder war auf einem unbekannten Planeten gelandet, den er sich aneignen wollte. Eine Welle von unerträglicher Wehmut überkam ihn, als er sich an jenen Mann erinnerte, der voller Übermut unter der fremden Sonne gestanden hatte, an den Mann, der alle Existenz in seiner Hand zu halten schien, an den Held, das Zentrum des Universums, an den Mann, der … Das alles schien längst vergangen und weit entfernt. Konnte er diesen Mann je wieder finden? Gab es einen Weg zurück? Gab es einen anderen Ort, an den er gehen konnte?
    Er wandte sich Sophia zu. Ihre Augen
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