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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
Autoren: John Connolly
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Kollektor zog sich einen Sessel zurecht und nahm Platz, verschränkte die Hände im Schoß und schob die Finger ineinander, als wollte er beten.
    »Wissen Sie überhaupt, wem Sie dienen?«, fragte er.
    »Sie etwa?«
    Der Kollektor zog lächelnd einen Mundwinkel hoch. »Ich begleiche Rechnungen. Ich treibe Schulden ein.«
    »Aber für wen?«
    »Ich werde ihn hier nicht beim Namen nennen, nicht in Gegenwart dieses … Dings .«
    Er löste die Finger voneinander und deutete auf das Kästchen. Dann griff er in die Hosentasche und holte ein Zigarettenetui aus blaugrauem Metall und eine Streichholzschachtel heraus. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich rauche?«
    »Ja.«
    »Schade. Dann muss ich Ihre Gastfreundschaft leider weiter beanspruchen.«
    Der Kollektor klemmte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und riss das Streichholz an. Kurz darauf stieg stinkender Qualm zur Decke auf. Herod verzog angewidert das Gesicht.
    »Ich lasse sie eigens anfertigen«, sagte der Kollektor. »Früher habe ich die üblichen Marken geraucht, fand aber ihre Allgegenwart unfein. Wenn ich mich schon vergifte, dann doch lieber mit einem Mindestmaß an Stil.«
    »Wie bewundernswert«, sagte Herod. »Darf ich Sie fragen, wo Sie die Asche abzustreifen gedenken?«
    »Oh, die brennen ganz langsam«, sagte der Kollektor. »Bis es so weit ist, sind Sie bereits tot.«
    Die Atmosphäre im Zimmer veränderte sich. Ein Teil des Sauerstoffs schien herausgesogen zu werden, und ich hörte ein schrilles Heulen im Kopf.
    »Durch Ihre Hand oder durch Ihren Freund?«, fragte Herod leise.
    »Weder noch.«
    Herod wirkte verdutzt, doch bevor er nachhaken konnte, ergriff der Kollektor wieder das Wort.
    »Unter welchem Namen ist er bekannt, derjenige, dem Sie dienen?«
    Herod rutschte etwas auf dem Stuhl hin und her.
    »Ich kenne ihn als Käpt’n«, erwiderte er, »aber er hat viele Namen.«
    »Dessen bin ich mir sicher. Der Käpt’n. Derjenige, der hinter dem Glas wartet. Mr Gutfreund. Es spielt wohl kaum eine Rolle, oder? Er ist so alt, dass er keinen eigenen Namen hat. Sie alle sind die Erfindung anderer.«
    Die rechte Hand des Kollektors bewegte sich leicht, während er das Zimmer auf sich wirken ließ und Rauch von seinen Fingern aufstieg.
    »Hier sind keine Spiegel. Keine spiegelnden Flächen. Man könnte meinen, Sie wären seiner überdrüssig. Es muss ermüdend sein, das gebe ich zu. All die Wut, all dieses Verlangen . Damit zurechtzukommen dürfte nahezu unmöglich sein.« Er beugte sich vor und tippte an das Kästchen. »Und jetzt will er, dass es geöffnet wird, damit noch etwas mehr Chaos in diese unruhige Welt kommt. Tja, man sollte ihn nicht enttäuschen, oder?«
    Der Kollektor erhob sich. Er legte die Zigarette vorsichtig auf der Armlehne des Sessels ab, beugte sich dann über den Schreibtisch, strich mit den Fingern über den Verschlussmechanismus und erkundete geschickt die Spinnenbeine, die verkrümmten Leiber, die klaffenden Münder. Er schaute dabei nicht auf das Kästchen, sondern behielt Herod unverwandt im Auge.
    »Was tun Sie da?«, sagte Herod. »Das ist ein komplizierter Mechanismus. Man muss ihn genau untersuchen. Man muss die richtige Reihenfolge feststellen …«
    Doch noch während er sprach, ertönten im Kästchen eine Reihe von Klick- und Surrgeräuschen. Aber die Finger des Kollektors bewegten sich weiter, worauf die mechanischen Laute von einem anderen übertönt wurden. Es war ein Flüstern, das den Raum auszufüllen schien, zu schrecklichem Jubel anschwoll, als sich eine Stimme über die andere aufschwang, wie Insekten in ihrem Nest. Ein Deckel sprang auf, dann ein weiterer und noch einer. Ein Schatten, bucklig und gehörnt, zeichnete sich vor einem der Bücherregale ab, zu dem sich rasch zwei weitere gesellten, ein Vorspiel zu dem, was noch zum Vorschein kommen sollte.
    »Stopp!«, sagte ich. »Das können Sie nicht machen!« Ich schob mich nach rechts, damit der Kollektor mich sah, und richtete die Knarre von Herod auf ihn. »Lassen Sie das Kästchen zu.«
    Der Kollektor hob die Hände, nicht so, als wolle er klein beigeben, sondern eher wie ein Zauberer am Ende einer besonders gelungenen Beschwörung.
    »Zu spät«, sagte er.
    Worauf der letzte Deckel aufsprang.
    Ein Moment lang tat sich nichts. Die Schatten an der Wand hielten inne, und was so lange ohne Substanz gewesen war, nahm feste Form an. Der Kollektor blieb stehen, die Hände nach wie vor erhoben, als wartete er darauf, dass man ihm einen Stab in die Hand
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