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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
Autoren: John Connolly
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Sie empfunden?«, fragte der Kollektor, und in seiner Stimme schwang ein unsicherer Unterton mit, den ich noch nie gehört hatte. »Was haben Sie empfunden, als Sie es angeblickt haben?«
    »Wut. Und Angst. Ich hatte Angst.« Die Antwort kam, noch ehe ich mir des Gedankens bewusst wurde. »Angst vor Ihnen.«
    »Nein«, sagte der Kollektor, »nicht vor mir …«
    Sein Gesicht wirkte nachdenklich, aber da war noch etwas anderes.
    Zum ersten Mal spürte ich, dass der Kollektor Angst vor mir hatte.

Epilog
    Gern wohnte ich hier im Hause mit nur einem Drittel,
Wären dafür nur heil jene Männer,
die damals im breiten Troja verkamen …
    H OMER , Odyssee , Vierter Gesang
    Der Speicher in Queens war unter der Bezeichnung die »Festung« bekannt und diente als Lagerraum für Kunst, der unter dem besonderen Schutz der US -Regierung stand. Viele Altertümer aus dem Irakischen Nationalmuseum waren bereits durch die Festung geschleust worden. Dorthin war zum Beispiel die kopflose Statue des sumerischen Königs Entemena von Lagaš gebracht worden, nachdem man sie geborgen hatte, ebenso wie 669 weitere Stücke aus dem Museum, die der amerikanische Zoll 2003 am Flughafen von Newark beschlagnahmt und dort auf ihre Echtheit hatte überprüfen lassen. Jetzt begann Dr. Al-Daini in den engen, schummrigen Räumen der Festung mit dem Katalogisieren der Schätze, die man bei Razzien in Maine und Quebec sichergestellt hatte, auch wenn er nach wie vor um den begehrtesten Gegenstand trauerte, der jetzt wieder verschollen war.
    Als er feststellte, dass er müde wurde, verließ er die Festung und ging in einen nahe gelegenen Coffeeshop, wo er sich eine Suppe bestellte und eine arabische Zeitung las, die er sich diesen Morgen gekauft hatte. Später würde er sagen, dass er den Mann, der ihm gegenüber Platz nahm, gerochen hatte, bevor er ihn sah, denn Dr. Al-Daini rauchte nicht, und der Nikotingestank verdarb ihm den Appetit auf seine Suppe.
    Dr. Al-Daini blickte von seiner Zeitung und dem Essen auf und starrte den Kollektor an.
    »Entschuldigen Sie, aber kenne ich Sie?«, fragte er.
    Der Kollektor schüttelte den Kopf. »Wir haben uns in den gleichen Kreisen bewegt, das ist alles. Ich habe etwas für Sie.«
    Er stellte ein mit Schnur und braunem Papier umwickeltes Kästchen auf den Tisch, und Dr. Al-Daini spürte, wie seine Fingerspitzen im Gleichklang mit dem Kästchen vibrierten, als er über das Verpackungsmaterial strich, dann schaute er sich um, bevor er die Schnur mit seinem Messer durchschnitt. Er schob das Papier beiseite und öffnete den Deckel der langen weißen Kassette vor ihm. Behutsam untersuchte er die Schlösser. Er runzelte die Stirn.
    »Das Kästchen wurde geöffnet.«
    »Ja«, sagte der Kollektor. »Das Ergebnis war höchst interessant.«
    »Aber sie sind noch immer darin gefangen?«
    »Spüren Sie sie nicht?«
    Dr. Al-Daini nickte und schloss den Deckel der weißen Kassette. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatte er das Gefühl, dass er wieder gut schlafen konnte.
    »Wer sind Sie?«, fragte er.
    »Ich? Ich bin ein Sammler.« Er schob Dr. Al-Daini zwei Blatt Papier über den Tisch zu. »Aber wenn ein solch einzigartiges Stück den zuständigen Behörden übergeben wird, hat das einen bestimmten Preis.«
    Dr. Al-Daini betrachtete die Papiere. Auf jedem war ein kleines Rollsiegel abgebildet.
    »Betrachten Sie sie als zerstört oder unwiederbringlich verloren.«
    Dr. Al-Daini war ein Mann von Welt. »Einverstanden«, sagte er. »Für Ihre eigene Sammlung?«
    »Nein«, erwiderte der Kollektor, als er aufstand und sich zum Gehen anschickte. »Als Entschädigung.«
    Kein Luftzug ging. Kurz zuvor hatte es geregnet, und das Gras auf dem Maine Veterans’ Memorial Cemetery schimmerte in der Sonne. Bobby Jandreau war bei mir, seine Freundin wartete hinter uns am Weg. Wir waren inmitten der Toten. Er hatte gefragt, ob ich mich hier mit ihm treffen könne, wozu ich gern bereit gewesen war.
    »Ich wollte lange Zeit hierher«, sagte Bobby. »Ich wollte, dass alles aufhört.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt bin ich mit ihr zusammen.« Er blickte zu Mel, die ihm zulächelte, und ich dachte: Sie wird neben dir begraben werden.
    »Man wird einen Platz für Sie beide aufheben. Sie müssen sich nicht beeilen.«
    Er nickte. »Das ist unsere Belohnung«, sagte er. »In allen Ehren hier zu liegen. Mehr gibt es nicht – weder Geld noch Orden. Das hier genügt.«
    Sein Blick war auf den nächsten Grabstein gerichtet. Ein Mann und seine Frau, die
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