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Die Braut sagt leider nein

Titel: Die Braut sagt leider nein
Autoren: Kerstin Gier
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Bett zu bleiben.
    Alex hatte die Nachttischlampe angeknipst und wartete auf den Piepton des Thermometers in meinem Mund. Seit ich die Pille nicht mehr nahm, musste ich immer morgens um die gleiche Zeit Temperatur messen. Er nahm die Sache mit der Verhütung ausgesprochen ernst und wusste mehr über weibliche Fruchtbarkeit als ich. Doktor Ratzels natürliche Empfängnisplanung hieß das Buch, das er gekauft und von der ersten bis zur letzten Seite gelesen hatte.
    Sicher verhüten ohne Chemie lautete der Titel des Werkes, für das ich plädiert hatte, denn in Dr. Rötzels Buch ging es in erster Linie um Empfängnis und weniger um Verhütung. Aber Alex meinte, das mitder Empfängnis könnten wir noch früh genug gebrauchen.
    Das Thermometer piepste.
    Alex las die Temperatur ab, und erst dann gab er mir einen Guten-Morgen-Kuss.
    »Guten Morgen, kleiner Knurrhahn«, sagte er. »Du bist siebenunddreißig Grad warm, genau vier Zehntel mehr als gestern.«
    »Was bedeutet das?«, fragte ich fröstelnd.
    »Dein Eisprung, Elisabeth«, antwortete Alex. »Das habe ich dir doch schon hundertmal erklärt.«
    »Ach ja«, sagte ich. In keiner meiner früheren Beziehungen war das Thema Verhütung so wichtig gewesen wie in dieser. Dabei war Alex der erste Mann, von dem ein Kind zu bekommen eine richtig schöne Vorstellung war.
    Außer dienstags. Dienstags betreute ich zwei Mutter-Kind-Kontaktkreise am Familienbildungswerk, für das ich als pädagogische Mitarbeiterin tätig war. Und jeden Dienstagabend war ich fest entschlossen, kinderlos zu bleiben.
    »Ich würde gern im Bett bleiben«, sagte ich zu Alex. »Du nicht auch?«
    Aber Alex war schon aufgesprungen. Für ihn war jeder Arbeitstag gleich. Schlechtgelaunt folgte ich ihm ins Badezimmer. Dort trug er meine Körpertemperatur in eine Tabelle ein, die an der Tür hing und Besuchern schon manches Rätsel aufgegeben hatte. In komplizierten Verschlüsselungen vermerkte er neben meiner Temperatur allerlei Vorkommnisse, deren Bedeutung auch ich nur teilweise kannte.
    Es gab Zeichen für Sex ohne Geschlechtsverkehr, aber mit Samenerguss, für Geschlechtsverkehr mit Kondornund Samenerguss, für Geschlechtsverkehr ohne Kondom mit Samenerguss. Daneben gab es noch eine Reihe von anderen Symbolen, deren Bedeutung Alex mir nicht verraten wollte. Wenn ich ihn danach fragte, wurde er immer etwas verlegen. Ich vermutete, dass er Buch über die Anzahl meiner Orgasmen führte, um statistisch auszuwerten, inwieweit sie in Zusammenhang mit den anderen Zeichen zu bringen waren. Ich hoffte, dass er dem Geheimnis bald auf die Spur kommen würde.
    »Ich friere«, sagte ich.
    Alex nahm mich in seine Arme. Sein ganzer Körper war warm wie ein ofenfrisches Brötchen. Das einzig Kühle an ihm war der Rasierschaum im Gesicht.
    »Warum frierst du nie?«, fragte ich.
    »Weil ich nicht frieren will«, erklärte Alex. »Das ist alles eine Frage der Einstellung. Wenn man nicht frieren will, dann tut man es auch nicht.«
    »Ich friere, weil heute Dienstag ist«, sagte ich.
    »Ach ja, deine Mütterkurse sind heute«, erinnerte sich Alex und drückte mich noch enger an sich. »Du Ärmste. Aber mein Tag ist auch nicht aus Pappe.«
     
    Die Mütter des ersten Mutter-Kind-Kontaktkreises mochten mich nicht. Ganz gleich, was ich mir ausdachte, sie fanden es immer blöd. Heute machten wir einen Handabdruck der Babys in Ton. Blöd.
    Anschließend setzten wir uns im Kreis auf den Boden und sangen Kinderlieder.
    »Kennt ihr das Aramsamsam-Lied?«, fragte eine Mutter schließlich. Sie hielt einen Still-Kursus in unserem Haus ab, immer donnerstags, wenn ich Spätdienst hatte.
     
    Maike Schlöndorf, Lactationsberaterin, stand in unserem Programmheft, und niemand außer Maike wusste, was das war.
    Auch das Aramsamsam-Lied kannte keiner.
    »Du auch nicht?«, wollte Maike von mir wissen.
    Ich schüttelte bedauernd den Kopf. Maike machte ein Gesicht, als könne sie eine solche Bildungslücke bei einer Kontaktkreis-Gruppenleiterin nur schwer verstehen, aber sie erklärte sich schließlich doch bereit, uns das Aramsamsam-Lied zu lehren. Das ging so:
    »Aramsamsam, aramsamsam,
    gulligulligulligulli ramsamsam,
    arabi, arabi,
    gulligulligulligulligulli ramsamsam.«
     
    Das war aber noch nicht alles. Zu aramsamsam musste man sich mit den Handflächen auf die Schenkel schlagen, bei gulligulligulli mit den Fäusten auf die Brust trommeln und bei arabi eine Verneigung gen Mekka vollziehen.
    Den Müttern machte das offensichtlich großen
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