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Die Braut des Silberfinders - historischer Roman

Die Braut des Silberfinders - historischer Roman

Titel: Die Braut des Silberfinders - historischer Roman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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daran, der Stute weiterhin die Zügel zu geben. Sollten sie doch
davonrennen, die blutgierigen Gaffer. Dann sah er, keine fünfzig Schritt
voraus, den Henkersplatz. Leonhardt stand dort auf einem Holzblock, die
Schlinge um den Hals und das Seil noch schlaff auf seinen Schultern.
    Gott sei Dank! Er kam beizeiten.
    Pferd zum Stehen bringen und vom Sattel
springen war eins, und mit drei langen Schritten stand Robert auf dem Podest
neben dem Scharfrichter, in der Rechten die Order des Vogtes schwenkend.
    »Eine Depesche vom Vogt! Der Angeklagte
soll nicht gerichtet werden!«
    Sofort waren sechs Soldaten bei Robert und
bedrohten ihn mit ihren Lanzen.
    Das Schreiben schien den Henker nicht zu
beeindrucken, vielmehr starrte er den Störenfried an. Offenbar rätselte er,
woher er den Riesen kannte, dann plötzlich klarte sich sein Blick: »Ich kenn
dich doch, Bursche! Du bist der Hohlkopf, der gestern am Pranger beinahe allein
eine Prügelei mit einer Rotte Stadtsoldaten anfangen wollte. Gestern konntest
du noch kein Wort von dir geben, nur dämlich grunzen!«
    »Das ist Robert, der Gehilfe des
Prospektors! Der kann reden wie ein Prokurator, der verdammte Klugscheißer!«,
kam es aus der Menge.
    »Schau an, schau an, der Gehilfe des
Delinquenten!«, sagte der Henker vielsagend.
    »Wen schert’s? Schaut lieber auf den Erlass
vom Vogt!«
    »Meines Wissens ist der Vogt weit weg,
woher soll dies Schreiben daherkommen?«
    »Lest einfach, hier!« Robert hielt ihm das
Papier unter die Nase.
    »Ich kann nicht lesen!«, erklärte sich der
Henker und schien keineswegs traurig darüber. »Was ist, kann einer von euch
lesen?«, wandte er sich an die sechs Wachsoldaten, die um Robert herumstanden.
Nur einer hob unsicher seine Hand. »Oh, wir haben einen Studierten unter uns!«,
grinste er hämisch in die Runde. »Na los, Junge, dann zeig uns mal, was man dir
beigebracht hat!«
    Ein schmächtiger junger Kerl mit pickeligem
Gesicht nahm das Schreiben an sich. Kaum in der Hand, meinte er, er sähe nicht
recht. »Die Seite stammt aus einer Bibel!«
    Empörtes Raunen und Rufen schallte
allüberall über den Marktplatz. Und selbst dem Henker verschlug es für einen
Moment die Sprache. »Und was zum Teufel steht nun drauf?«, fragte er, nachdem
er sie schließlich wieder gefunden hatte.
    »Hinrichtung nicht durchführen!
Delinquenten zur weiteren Vernehmung in den Kerker abführen! Der Vogt!«,
stammelte der Bengel.
    »Ist ein Siegel unter dem Papier?«
    »Nein!«
    »Irgendetwas anderes, was darauf hindeutet,
dass die Order vom Vogt stammt?«
    »Nein! Nichts!«
    Der Henker riss dem Jungen das Papier aus
der Hand und hielt es hoch über seinen Kopf. »Da kommt also der Gehilfe des
Prospektors dahergelaufen«, proklamierte er laut in die Menge, »ein Mann, der
über Nacht plötzlich seine Sprache wiedergefunden hat!«
    Das Volk quittierte die Ausführungen des
Henkers mit Gelächter.
    »In der Hand hält er eine Seite aus der
Bibel, auf der steht, dass wir den Verbrecher freilassen sollen …«
    Robert schüttelte energisch den Kopf. Er
wollte widersprechen, denn von Freilassen stand gewiss nichts in dem Schreiben,
doch einer der Soldaten drückte ihm seine Lanze gegen die Kehle und der Henker
fuhr ungerührt fort. »Angeblich stammt das Papier vom Vogt, doch weder dessen
Siegel noch ein anderer Beweis bürgt für die Echtheit der Order!«
    Es folgte eine bedeutungsschwere Pause,
bevor der Henker weitersprach. »Also was meint ihr, Bürger von Goslar, sollen
wir den Verurteilten freilassen?«
    Laute Missfallensrufe zeugten davon, dass
offenbar niemandem daran gelegen war.
    »Oder soll ich endlich meine gottverdammte
Pflicht tun und den verfluchten Verbrecher hängen?«
    Die Meute tobte, dass der Platz bebte. Das
Votum konnte nicht eindeutiger sein, das Volk wollte Blut sehen.
    »Wohlan denn!«, sagte der Henker, dann trat
er, ohne zu zögern, den Holzblock unter Leonhardts Füßen weg.
    Robert wollte seinen Zorn laut
hinausschreien. Nun war doch alles umsonst gewesen. Er sah Leonhardts Beine ins
Leere sacken, einen Moment noch, dann würde der Ruck ihm das Genick bersten
lassen. Das Seil straffte sich, der Fall war zu Ende, doch das Knacken
brechender Knochen blieb aus, stattdessen strampelte er nun mit seinen Beinen,
als wolle er davonlaufen. Blieb dem armen Kerl denn gar nichts erspart, musste
er jetzt auch noch qualvoll ersticken?
    Das konnte und wollte Robert nicht mit
ansehen. Er stürzte nach vorn und wollte Leonhardt vom Seil befreien,
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