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Die Braut des Normannen

Die Braut des Normannen

Titel: Die Braut des Normannen
Autoren: Julie Garwood
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daß er bei seinen eigenen Leuten in Ungnade gefallen war. Der braune Mantel schleifte auf den Boden und war mit Schlamm und Dreck verschmiert. Der Mann erinnerte Royce an eine Eule mit seinen hängenden Schultern und den dicken, faltigen Tränensäcken. Schön, er mochte vielleicht wie eine Eule aussehen, aber er hatte das Herz eines Geiers, der seine eigenen Landsleute verriet, dachte Royce angewidert.
    »Tretet vor, James« forderte Royce ihn auf.
    Der Angelsachse tat, wie ihm geheißen, und als er vor den normannischen Baronen ankam, verbeugte er sich tief. »Euer ergebenster Diener, Mylords.«
    Royce hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt. Neben ihm stand Hugh vor dem Kamin und zog den Mantel enger um sich, in dem Bestreben, die Kälte aus seinem erschöpften Körper zu vertreiben. Royce bemerkte die Blässe im Gesicht seines Freundes und den fiebrigen Glanz in seinen braunen Augen und gab den Befehl, einen Sessel vor den Kamin zu stellen.
    »Bringt eurem Baron einen Krug Bier«, rief er einem von Hughs Soldaten zu, der am Eingang Posten bezogen hatte. »Ein Angelsachse soll den ersten Schluck aus dem Krug nehmen. Wenn er am Leben bleibt, können wir sicher sein, daß das Bier nicht vergiftet ist.«
    Hugh murrte. »Ich bin genauso gut in Form wie du«, protestierte er, »und kann ganz gut für mich allein sorgen.«
    »Ja, du bist gut in Form«, stimmte Royce zu. »Du hast jedoch in den letzten Wochen doppelt so viele Schlachten wie ich geschlagen.« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber Royce wollte den Stolz seines Freundes nicht verletzen. »Ich wäre todmüde, wenn ich nur die Hälfte deiner Siege errungen hätte.«
    Hugh murmelte zustimmend. »Das ist wahr, du wärst sicher todmüde.«
    Royce lächelte, dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder dem Informanten und fragte ihn in angelsächsischer Sprache: »Erzählt mir, was Ihr über die Familie, die in dieser Burg wohnt, wißt. Fangen wir bei den Eltern an. Stimmt es, daß beide Elternteile tot sind?«
    Der Angelsachse machte den Soldaten, die einen Lehnstuhl herbeischleppten, Platz und wartete mit seiner Antwort, bis sich Hugh niedergelassen hatte. »Ganz recht, Mylord. Beide sind tot. Sie liegen in der Familiengruft auf dem Hügel im Norden.«
    James' Nacken tat höllisch weh, weil er den Kopf so weit nach hinten legen mußte, um dem riesigen Normannen ins Gesicht zu sehen. Als der Schmerz übermächtig wurde, senkte er den Blick und schaute zu Boden. Das war wesentlich besser, und auch die Beklommenheit in seiner Brust löste sich ein wenig, da ihm der angsteinflößende Anblick so erspart blieb. Die Augen des Ritters waren ebenso erschreckend wie die entstellende Narbe, die sich über seine rechte Wange zog, aber dieser Blick war das Allerschlimmste ...
    »Erzählt mir von den anderen Familienmitgliedern«, forderte Royce.
    James erwiderte dienstbeflissen: »Es gibt zwei Brüder. Thurston ist der ältere. Man erzählt sich, daß er bei einer Schlacht im Norden gefallen ist, aber das hat bis jetzt noch niemand bestätigt.«
    »Und der andere Bruder?«
    »Sein Name ist Justin. Er ist der jüngste in der Familie und wurde in derselben Schlacht verwundet. Er wurde ins Kloster gebracht, und die Nonnen pflegen ihn. Seine Verletzungen sind ziemlich ernst, und es ist fraglich, ob er durchkommt.«
    Ingelram hatte sich immer noch nicht von der Seite seines Herrn gerührt, und Royce blaffte ihn plötzlich an: »Habe ich Euch nicht den Befehl gegeben, die Nonne zu mir zu bringen?«
    »Ich wußte nicht, daß Ihr sie verhören wollt, Baron«, stammelte Ingelram verdattert.
    »Es gehört auch nicht zu Euren Pflichten zu wissen, was ich vorhabe. Ihr habt zu gehorchen, ohne Fragen zu stellen.«
    Ingelram holte tief Luft. »Sie ist nicht hier«, platzte er heraus.
    Royce widerstand nur mit Mühe dem Drang, seinen Gefolgsmann zu auf der Stelle erdrosseln. »Ich verlange sofort eine Erklärung«, donnerte er.
    Ingelram nahm all seinen Mut zusammen und hielt dem bitterbösen Blick seines Herrn stand. »Schwester Danielle bat um eine Eskorte, die sie zum Kloster begleitet. Sie hat der Äbtissin ihr Wort gegeben, vor Einbruch der Nacht zurück zu sein, außerdem war sie sehr besorgt um ihren Bruder. Sie fühlt sich für ihn verantwortlich, weil er das Nesthäkchen der Familie ist.«
    Während Ingelrams stockend hervorgebrachter Erklärung hatte Royce keine Miene verzogen, und der junge Ritter hatte keine Ahnung, was seinem Herrn durch den Kopf ging. Er war so
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