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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Autoren: Richard Dübell
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versuchte, genügend Vernunft für ein sinnvolles Gebet zu sammeln: Herr, ich danke Dir, dass Du mir die Kraft gegeben hast, mich zum rechten Zeitpunkt selbst zu retten. Doch sie sprach es nicht aus. Wie konnte sie diese Worte zu ihrem Gatten senden, wenn sie bedeuteten, dass sie Ehebruch begehen wollte?
    Wer hat deine Liebe?
    … der Herr Jesus Christus …
    Und wem hast du dein Gelübde gegeben?
    … in dessen Bett ich eingestiegen bin.
    Sie hörte das Räuspern vor der Tür. Als Magistra stand Magdalena eine eigene Zelle zu, um mit ihren Schülerinnen allein sein zu können, aber die Tür ließ sich nicht versperren. Magdalena versuchte, die verstörenden Gedanken in ihr wundes Herz zurückzudrängen. Eine Träne lief ihre Wange hinab; sie wischte sie mit einer wütenden Bewegung weg. Sie erwartete, dass Schwester Immaculata ihr für ihre Führung während der vergangenen zwölf Monate danken wollte, und mochte ihr ihren Tag nicht verderben.
    »Wer ist da?«
    »Isabella.«
    Magdalena atmete ein. Sie kämpfte gegen die Versuchung, die junge Frau wegzuschicken, doch sie war ihr anvertraut, und ganz gleich wie sie sich fühlte, Schwester Magdalena Caterina würde einen ihr anvertrauten Schützling erst dann wegschicken, wenn sie dem Tod näher war als dem Leben.
    »Schwester Radegundis Benedikta «, sagte Magdalena.
    »Richtig«, sagte Schwester Radegundis Benedikta und trat ein. »Ich vergesse dauernd diesen neuen Namen.«
    »Warum hast du ihn dir dann ausgesucht?«
    Schwester Radegundis zuckte mit den Schultern. Magdalena seufzte.
    »Man möchte eigentlich meinen, dass zehn Monate die Kraft hätten, alles Neue in Gewohntes zu verwandeln.«
    »Ich darf mit«, sagte Schwester Radegundis. Ihre Wangen glühten noch stärker als während der Profess.
    Magdalena wartete.
    »Ich darf mit«, wiederholte die Novizin, und ihre Stimme überschlug sich vor Eifer.
    »Wir wollen beten«, sagte Magdalena. »Knie hier an meiner Seite nieder. Gnädiger Herr Jesus Christus, wir danken Dir für Deine Güte, die Du uns auf allen Wegen erweist, für Deine Führung durch die Dunkelheit unseres Daseins und dafür, dass Du unsere Gebete erhörst. Heilige Maria Mutter Gottes, wir danken Dir für Deine Liebe und für Deine Fürsprache bei Deinem Sohn.« Und mit besonderer Betonung: »Heiliger Geist, wir danken Dir dafür, dass Du über die Menschen gekommen bist und ihnen die Macht verliehen hast, ihre Zungen in einer Weise zu steuern, die andere Menschen verstehen können. Amen.«
    »Amen«, sagte Schwester Radegundis, ein wenig ruhiger, aber auch weniger beschämt, als Magdalena gehofft hatte.
    »Wohin darfst du mit?«
    »Wir geben Schwester Beatrice das Geleit nach Perugia.«
    »Schwester Immaculata Veronica.«
    »Ja, das habe ich ja gemeint.«
    »Wohin?«
    »Santa Giuliana di Perugia.«
    »Und wir «, sagte Magdalena mit Betonung, »geben ihr das Geleit?«
    »Novizinnen können doch nicht aus der Obhut der Magistra entlassen werden.«
    »Es gibt derzeit nur eine einzige Novizin in diesem Gemäuer, und die kniet neben mir.«
    »Ich!«, erklärte Schwester Radegundis strahlend.
    »Lass den heiligen Geist in dein Herz, Schwester, und nutze seine Kraft, um deine Rede zu steuern.«
    »Ich habe die Mutter Oberin gefragt, und sie hat gesagt …«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Dass sie dich bitten lässt, sie im Kapitelsaal aufzusuchen, und dass ich dir nichts davon erzählen soll …«
    »Wovon? Dass ich sie aufsuchen soll?«
    »Nein!«, rief die junge Novizin und umarmte ihre Meisterin plötzlich so stürmisch, dass Magdalena vor Überraschung steif wurde. »Dass wir Abschied voneinander nehmen müssen! Ach, Schwester Magdalena, ich und die anderen hier im Kloster vermissen dich schon jetzt!«

Kapitel 3.
    M an konnte nicht behaupten, dass Clarice Tintori ihre Reise zu ihrem künftigen Bräutigam nicht mit angemessener Ausstattung angetreten hätte. Sie war in einem Hangelwagen mit schwingend aufgehängter Kabine gefahren. Das stämmige Fahrwerk und der Wagenkasten, dessen Rippen in einem schwungvollen Bogen von einer Längsseite zur anderen führten und genügend Raum darunter ließen, dass man sich im Inneren des Wagens aufrecht hinstellen konnte, ohne mit dem Kopf an das Planendach zu stoßen, waren durch ein kompliziertes Geflecht aus Ketten und Lederriemen verbunden, das die gröbsten Stöße abfing. Rippen und Flanken waren mit geschnitzten Ranken verziert, die sich rot von der dunkelgrünen Bemalung des Wagens abhoben und mit Goldfarbe
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