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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Autoren: Richard Dübell
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schmerzte die Äbtissin, ohne dass sie etwas dagegen hätte unternehmen können. Die Signale der Panik, die er seit dem Gespräch am Vorabend aussandte, gingen in den Stimmen unter, die in Schwester Magdalenas Geist riefen.
    »Sprich, Schwester Immaculata«, sagte die Äbtissin.
    Natürlich hat die Kleine sich den Namen Immaculata ausgesucht, dachte Magdalena. Sie hatte um diese Namenswahl gewusst, kaum dass das Mädchen in ihre Obhut gegeben worden war. Manche Herzen waren nur zum Teil einsehbar, wie das Herz der Äbtissin; andere, wie das der Novizin – oder das des Abtes –, waren wie ein offenes Buch.
    »Ich, Schwester Immaculata Veronica …«, begann die Novizin.
    »Lauter, Schwester«, sagte die Äbtissin. »Jede in der Gemeinschaft soll dich hören.«
    »Ich, Schwester Immaculata Veronica, lege zur Ehre Gottes und der Jungfrau Maria dieses Versprechen ab: Ich bin fest entschlossen, mich Gott zu weihen und zeit meines Lebens im Ordensstand der seligen Jungfrau und ihrem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, nachzufolgen.«
    »Amen«, sagten die Schwestern. Die Äbtissin nickte. Zwei Schwestern, die erst vor kurzer Zeit die Profess abgelegt hatten, traten herbei und zogen Schwester Immaculata sanft die schwarze Kukulle über den Kopf, ordneten sie vorne und hinten und legten sie über der knienden Gestalt in elegante Falten – ein Detail, das Schwester Magdalena eingeführt hatte und von der Äbtissin mit einigem Grimm als unnütze Eitelkeit betrachtet wurde. Schwester Immaculatas Unterkiefer zitterte, doch es gelang ihr, die Tränen zurückzuhalten.
    Anders als du bei deiner Profess, sagte die leise Stimme in Magdalenas Kopf. Aber das mag daran liegen, dass Schwester Immaculata Veronica, vormals Beatrice Casagrande aus Ferrara, Tränen der Freude zurückhält.
    »Die selige Jungfrau und Gottesmutter Maria schütze und behüte dich«, sagte die Äbtissin.
    Schwester Immaculata holte Atem.
    Votum conversatio morum, dachte Magdalena.
    »Ich gelobe den hier anwesenden Schwestern in ihre Hände und Schwester Giovanna Maria, meiner Mutter Äbtissin, für immer ein Leben in eheloser Keuschheit, Armut und Gehorsam, gemäß der Regel des heiligen Benedikt, dem Glauben des großen Bernhard von Clairvaux und der Lebensform des Ordens von Citeaux.«
    Magdalena spürte eine leichte Berührung an der Hand und wandte den Kopf, während die beiden Schwestern den schwarzen Schleier brachten und gegen Schwester Immaculatas weißen Novizinnenschleier austauschten. Schwester Radegundis lächelte Magdalena verstohlen an. Ihre Augen glänzten, weniger aus Rührung denn aus Begeisterung dafür, dass auch sie bald Mittelpunkt dieser Feierlichkeit sein würde. Sie stand stolz aufrecht in der groben Novizinnenkutte, und Magdalena, deren Haltung sich ebenfalls deutlich von den runden Rücken der anderen Ordensschwestern unterschied, konnte nicht umhin zu bemerken, dass Radegundis selbst die unförmige Novizinnentracht wie eine Prinzessin trug. War nicht die heilige Radegundis Prinzessin gewesen, bevor sie sich für das Klosterleben entschieden hatte? Selten hatte ein Ordensname so gut gepasst. Mittelpunkt des Klosters zu sein, und sei es auch nur für die kurze Zeremonie der Profess – Magdalena konnte Radegundis’ Streben klar in ihrem strahlenden Gesicht sehen. Die Demut, die damit einhergehen sollte, die Bereitschaft zum Gehorsam und die Gewissheit, dass die Zeremonie nicht der Erhöhung diente, sondern den Eintritt in eine Welt aus Hingabe und Selbstverleugnung darstellte, konnte Magdalena nicht erkennen. Vielleicht verschloss Radegundis diesen Aspekt ihrer Begeisterung ja in einem Teil ihres Herzens, den Magdalena nicht sehen konnte.
    »Der Herr Jesus Christus nehme dich an als seine Braut und fahre ein in dein Herz«, sagte die Äbtissin. Magdalena vernahm mit ihrem besonderen Sinn das leise Stöhnen der Verzückung, das Schwester Immaculata entschlüpfte. Plötzlich spürte sie, wie Übelkeit in ihr aufstieg. Sie musste den Blick von den weit aufgerissenen Augen Schwester Radegundis’ abwenden.
    »Votum oboedientia« , flüsterte Schwester Radegundis.
    »Ich stelle mich dieser Ordensgemeinschaft aus ganzem Herzen zur Verfügung, um durch die Gnade des Heiligen Geistes, im Vertrauen auf die Fürbitte der seligen Jungfrau Maria und unseres seligen Vaters Bernhard von Clairvaux im Dienste Gottes und der Kirche zur vollkommenen Liebe zu gelangen«, stammelte Schwester Immaculata.
    Die Äbtissin beugte sich vor. Magdalena
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