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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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zwanzigtausend Pfund französisches Dynamit. Der Pascha hatte angedroht, die ganze Festung mitsamt ihren Schätzen und allen Menschen, die dort lebten, in die Luft zu jagen, sollte die versprochene Begnadigung nicht erfolgen.
    Wahrscheinlich hatte Ali Pascha aus diesem Grund angeordnet, dass man sie im Schutz der Dämmerung zu ihm brachte, dachte Haidée. Ihr Vater brauchte sie. Und sie schwor sich, ihm seine Ängste zu nehmen.
    Doch dann hörten Haidée und ihre Begleiterinnen in der tödlichen Stille ein Geräusch. Es war sehr leise, aber es jagte ihnen Angst und Schrecken ein. Ein Geräusch ganz in der Nähe, nur wenige Meter von der Stelle, wo sie im hohen Schilf standen.
    Das Klatschen von Rudern, die ins Wasser getaucht wurden.
    Mit angehaltenem Atem konzentrierten sich die jungen Mädchen auf das Geräusch, dessen Quelle so nah war, dass sie sie beinahe berühren konnten.
    Durch den dichten, silbrigen Nebel konnten sie schwach drei Langboote ausmachen, die an ihnen vorüberglitten. In
jedem von ihnen saßen schemenhaft erkennbare Ruderer, vielleicht zehn oder zwölf pro Boot, insgesamt mehr als dreißig Männer, deren Silhouetten sich rhythmisch bewegten.
    Es gab keinen Zweifel daran, wohin diese Boote unterwegs waren, wurde Haidée entsetzt bewusst. Jenseits des Sumpfs, draußen in der Mitte des Sees, lag nur eins: die Kieferninsel, auf der das Kloster stand, die Insel, auf der Ali Pascha Zuflucht gesucht hatte.
    Sie musste sofort zum Hamam, sie musste zum Ufer, wo die Reiter des Paschas warteten. Plötzlich wusste sie, was die Angstschreie bedeutet hatten - was die Stille und das Leuchtfeuer zu bedeuten hatten. Es waren Warnsignale für jene, die auf die Morgendämmerung warteten, für jene, die auf der Insel im See warteten. Warnsignale von Männern, die ihr Leben riskiert haben mussten, um das Feuer anzuzünden. Warnsignale für ihren Vater.
    Es bedeutete, dass das unbezwingbare Demir Kule ohne einen einzigen Schuss eingenommen worden war. Dass man die tapferen albanischen Kämpfer, die die Festung zwei lange Jahre verteidigt hatten, durch Heimtücke oder Verrat im Dunkel der Nacht überwältigt hatte.
    Und Haidée begriff, was das hieß: Es waren keine normalen Boote, die sie hatten vorübergleiten sehen.
    Das waren türkische Boote.
    Jemand hatte ihren Vater, Ali Pascha, verraten.

    Mehmet Effendi stand in der Dunkelheit des hohen Glockenturms des Pantaleon-Klosters auf der Kieferninsel. Das Fernglas in der Hand, wartete er mit ungewöhnlicher Besorgnis und Beklemmung auf die ersten Anzeichen der Morgendämmerung.

    Solche Gefühle waren Mehmet Effendi fremd, weil er bisher immer gewusst hatte, was jede neue Dämmerung bringen würde. Derartige Dinge - die Entwicklung zukünftiger Ereignisse - konnte er präzise vorhersagen. Ja, normalerweise sogar den genauen Zeitpunkt. Das lag daran, dass Mehmet Effendi nicht nur Ali Paschas Erster Minister, sondern auch sein oberster Astrologe war. Bei der Vorhersage der Wirkung eines Schachzugs oder des Ausgangs einer Schlacht hatte Mehmet Effendi sich noch nie geirrt.
    Am Abend zuvor waren weder Mond noch Sterne am Himmel zu sehen gewesen, aber die brauchte er auch nicht. Denn in den vergangenen Tagen und Wochen hatte es eindeutige Vorzeichen gegeben. Nur die Interpretation der heutigen Omen beschäftigte ihn. Aber warum eigentlich?, fragte er sich. Schließlich war alles an seinem vorgesehenen Platz. Alles kam, wie es vorausgesagt worden war.
    Die zwölf waren da, und zwar vollzählig, nicht nur der General, auch alle Scheichs und alle Murschids des Ordens - sogar der große Baba, den man vom Sterbebett geholt und in einer Sänfte über das Pindusgebirge getragen hatte, damit er diesem Ereignis beiwohnen konnte, dem Ereignis, das seit über tausend Jahren, seit der Zeit der Kalifen al-Mahdi und Harun al-Raschid, erwartet wurde. Alle Personen, auf die es ankam, waren zur Stelle, und die Omen stimmten. Wie konnte es also noch misslingen?
    Neben Mehmet Effendi stand der General: Athanasi Vaya, der Oberbefehlshaber der Armee des Paschas, dessen brillante Strategie die osmanischen Soldaten des Sultans Mahmud II. zwei Jahre lang in Schach gehalten hatte.
    Zur Verstärkung hatte Vaya die freibeuterischen Kleften dafür bezahlt, dass sie die Gebirgspässe bewachten, und er hatte Ali Paschas albanische Palikari-Truppen in Partisanentaktik
geschult. So hatte er beispielsweise am Ende des letzten Ramadan, als die Offiziere des Sultans in der Weißen Moschee von Ioannina ihre
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