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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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durchquerte Solarin den großen Raum und blieb vor der Vitrine stehen.
    Darin befand sich eine wertvolle Skulptur, von der er ebenfalls geglaubt hatte, sie nie wiederzusehen - etwas, das genauso unmöglich schien und genauso beunruhigend war wie das Auftauchen der Frau, deren Gesicht er draußen erblickt hatte. Etwas, das vor langer Zeit an einem weit entfernt gelegenen Ort vergraben worden war. Und doch befand es sich direkt hier vor seinen Augen.
    Es war eine schwere, mit Edelsteinen besetzte Figur aus purem Gold. Sie trug lange Gewänder und saß in einem kleinen Pavillon, dessen Vorhänge zurückgezogen waren.
    »Die schwarze Dame«, flüsterte eine Stimme neben ihm. Als Solarin zur Seite schaute, erblickte er die dunklen Augen und das zerzauste Haar von Wartan Asow.
    »Sie wurde erst kürzlich gefunden«, fuhr der Junge fort. »Im Keller der Eremitage in Petersburg - zusammen mit Schliemanns
Schatz von Troja. Es heißt, sie hätte einmal Karl dem Großen gehört und sei lange Zeit verborgen gewesen - wahrscheinlich seit der Französischen Revolution. Möglicherweise war sie im Besitz von Katharina der Großen. Es ist das erste Mal, dass sie öffentlich ausgestellt wird.« Wartan schaute Solarin an. »Sie wurde extra für dieses Spiel hierhergebracht.«
    Solarin war starr vor Schreck. Er konnte sich das nicht länger anhören. Sie mussten sofort von hier verschwinden. Denn diese Figur war die wichtigste der Schachfiguren, die Kat und er damals in ihren Besitz gebracht und an einem geheimen Ort vergraben hatten. Wie war es möglich, dass sie hier in Russland auftauchte, obwohl sie sie vor zwanzig Jahren Tausende von Kilometern entfernt in die Erde gelegt hatten?
    Gefahr - hüte dich vor dem Feuer? Solarin musste raus an die Luft, er musste auf der Stelle mit Xie fliehen, Endpartie hin oder her. Kat hatte von Anfang an recht gehabt, auch wenn er noch nicht ganz durchschaute, was hier gespielt wurde. Er sah vor lauter Schachfiguren das Brett nicht mehr.
    Solarin nickte Wartan Asow freundlich zu, durchquerte den Raum mit wenigen forschen Schritten, nahm Xie an der Hand und ging in Richtung Ausgang.
    »Papa«, fragte Xie ihn verdattert, »wo gehen wir denn hin?«
    »Zu der Frau«, antwortete er knapp. »Zu der Frau, die dir die Karte gegeben hat.«
    »Aber was ist mit dem Spiel?«
    Sie würde disqualifiziert werden, wenn sie nicht anwesend war, sobald die Schachuhr eingeschaltet wurde. Sie würde alles verlieren, wofür sie so lange und so hart gearbeitet hatten. Aber er musste einfach Gewissheit haben. Sie traten aus dem Gebäude.
    Von der obersten Stufe der Sakristei aus entdeckte er sie auf der anderen Seite der Klosteranlage. Sie stand am Tor und
schaute Solarin liebevoll und mitfühlend an. Er hatte sie richtig erkannt. Doch als sie zur Brüstung der Klostermauer hinaufschaute, lag plötzlich Angst in ihrem Gesichtsausdruck.
    Als Solarin ihrem Blick folgte, sah er den Wachmann auf der Mauer, ein Gewehr in der Hand. Ohne nachzudenken schob er Xie hinter sich, um sie zu schützen, und schaute wieder zu der Frau hinüber.
    »Mutter«, sagte er.
    Dann explodierte das Feuer in seinem Kopf.

TEIL 1
    ALBEDO
     
     
     
     
Am Anfang jeder geistigen Verwirklichung steht der Tod als ein
Der-Welt-Absterben … Am Anfang des Werkes gewinnt der
Alchemist als kostbarsten Stoff die Asche.
     
TITUS BURCKHARDT, Alchemie. Sinn und Weltbild
     
     
     
Verbrennen musst du dich wollen in deiner eignen Flamme: Wie wolltest du neu werden, wenn du nicht erst Asche geworden bist!
     
FRIEDRICH NIETZSCHE, Also sprach Zarathustra

Das Weiße Land
     
     
     
     
Vertraue auf Allah, aber binde zuerst dein Kamel fest.
    SUFI-SPRICHWORT

Ioannina, Albanien
    JANUAR 1822
     
    Die Odalisken, weiße Sklavinnen aus Ali Paschas Harem, überquerten gerade die vereiste Fußbrücke über den Sumpf, als sie die ersten Schreie hörten.
    Haidée, die zwölfjährige Tochter des Paschas, klammerte sich an die Hand einer ihrer drei Begleiterinnen, von denen keine älter als fünfzehn war. Mit angehaltenem Atem spähten sie ängstlich in die Dunkelheit. Auf der anderen Seite des großen Pambotis-Sees konnten sie am Hang des Ufers die lodernden Fackeln erkennen.
    Die schrillen Schreie kamen jetzt in immer kürzeren Abständen - heiser und atemlos wie von wilden Tieren. Aber es waren menschliche Schreie - nicht von Jägern, sondern von Gejagten. Männliche, von Angst erfüllte Schreie, die über den See getragen wurden.
    Unvermittelt stieg ein einzelner
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