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Die Blut-Loge

Die Blut-Loge

Titel: Die Blut-Loge
Autoren: Carola Kickers
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die direkt zu ihm geeilt war. Bei seinem ansprechenden Äußeren und seiner charmanten Art fiel es Jerome nicht schwer, die junge Frau vor ihm am Tisch in ein unverfängliches Gespräch zu verwickeln. Er gab vor, neu in der Stadt zu sein, was ihre Hilfsbereitschaft weckte. Gleichzeitig setzte er seinen bannenden Einfluss als Vampir ein. Als er sie auf eine Stadtrundfahrt einlud, konnte sie schon fast nicht mehr ablehnen.
    Wenig später saßen sie in dem Sportwagen und wirkten wie ein junges Paar, das einen Ausflug machte. Das Autoradio spielte eine alte Ballade von Take That.
     
    * * *
     
    Der Ausflug endete im Containerhafen Hamburgs, weit weg von den neugierigen Blicken der Menschen. Jerome hatte seinen Arm um die blonde Nicole gelegt, die ihren Kopf auf seiner Schulter ruhen ließ. Es sah aus, als ob sie schliefe. Die tiefen Wunden in ihrer Halsschlagader begannen gerade, sich wieder zu schließen. Hier zwischen den Containern würde er sie liegen lassen. Er hatte sich ihre Handy-Nummer geben lassen. Vielleicht konnte sie ihm später noch einmal von Nutzen sein, denn sie war unberührt geblieben. Aber auch sie würde sich an nichts erinnern und ihn längst vergessen haben, wenn sie erwachte. Der junge Mann ging zur Beifahrertür und hob die schlanke Frau aus dem Wagen. Er legte sie behutsam in einem der Gänge zwischen den Containertürmen nieder und fuhr anschließend davon.
    Jerome fühlte sich unendlich erfrischt und drehte das Radio voll auf. Heute Abend würde er eine tolle Show abliefern, als die junge Marlene Dietrich. Laut sang er den Song von Frank Sinatra „New York, New York“ mit, während weit hinter ihm der letzte Herzschlag eines jungen Mädchens verklang. Jerome Summers hatte einen Fehler gemacht, den ersten seit Jahrhunderten: Er hatte eine Leiche hinterlassen. Nicht, dass er zu viel genommen hätte, nein, Nicole Wenders hatte einen angeborenen, unentdeckten Herzfehler gehabt, der leider auch dem jungen Vampir entgangen war.
     
    Am nächsten Morgen, oder besser gesagt, um die Mittagszeit erhob sich Jerome aus seinem breiten Bett und streckte sich. Er war zufrieden mit sich selbst. Der Auftritt gestern Abend war perfekt gelaufen, und Sid hatte wieder mal von einer Tournee gesprochen, die die Truppe quer durch Europa führen würde, mit ihm als Star. Das tat er allerdings öfter, ohne dass es bislang konkrete Anzeichen dafür gegeben hätte. Trotzdem, Jerome konnte zufrieden sein. Der junge Vampir ging zum Aufzug, der in sein Loft führt und drückte auf den Knopf. Der Briefträger legte seine Post jeden Morgen dort hinein. Diesmal waren es nur die üblichen Rechnungen und die Tageszeitung. Die trug allerdings eine besondere Schlagzeile. „Totes Mädchen in Containerhafen – Ermittlungen laufen auf Hochtouren“ Jerome Summers erstarrte. So etwas konnte das Ende für seine Karriere bedeuten. Besorgt überflog er am Küchentisch den weiteren Artikel. Von einem hohen Blutverlust war da die Rede. Aber offene Wunden oder Spuren, die auf einen Täter hindeuteten, hatte man bislang nicht finden können. Schließlich hinterließen Vampire keine Fingerabdrücke oder ähnliches. Kein Wort über die winzigen Narben am Hals der jungen Frau.
    Jerome atmete tief durch. Er musste unbedingt vorsichtiger sein. Er wollte doch nicht so enden wie seine Erschafferin. Die Signora bevorzugte das Blut junger Waisenknaben, um ihre jugendliche Frische zu erneuern. Einige davon hatte sie sogar über einen längeren Zeitraum in ihrem Palazzo wie Haustiere gehalten. „Je jünger, desto besser“, hatte sie ihm einmal gesagt. Aber Jerome widerstrebte es, Kinder anzugreifen. Außerdem hatten die Zeiten sich geändert. Damals hatte er sich gewundert, warum die Adelige gerade ihn gewandelt hatte, während ihre anderen Opfer irgendwann einmal spurlos in den Kanälen Venedigs verschwanden. Aber Clarissa di Viano hatte wohl einen Narren an ihm gefressen. Seine Gedanken schweiften wieder in jene Zeit zurück.
     
    Es war die erste Nacht nach seiner Wandlung gewesen. Der aufkeimende Durst nach Blut machte ihn unruhig, aber die Signora wollte den unerfahrenen Vampir noch nicht in die nächtlichen Straßen der Stadt schicken. In dieser Nacht ging sie für ihn auf die Jagd und kam zurück mit einem zarten, jungen Mädchen in Bettlerkleidung, das ihr willenlos folgte. Später hatte sie ihm erklärt, wie man einen Bann über einen Menschen verhängte und ihn damit willenlos machte. Damals hatte er sich gewundert, als sie sein erstes
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