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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener
Autoren: Delia Sherman
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vor einem Berg aus schwarzglasiertem Kuchen. Zu dessen Füßen stand mit in die Hüften gestemmten Armen ein großer, korpulenter Mann. Der junge Fremde verneigte sich und sprach ihn an: »Master Hardy, ich …«
    »Und wer im Namen des Heiligen Mendicus und aller kleinen Cherubime bist du, Bürschlein, dass du so vertraut mit meinem Namen umgehst?« Master Hardy sah den jungen Mann von oben bis unten an. Sein Blick glitt von den verfilzten Locken bis hinunter zu den besudelten Stiefeln. »Wir geben nur des Morgens unsere Abfälle an die Armen, Knäblein.«
    Der junge Mann richtete sich stolz auf. »Ich bitte um keine milde Gabe«, sagte er. »Ich bin wohl in der Lage, selbst für mein Brot zu arbeiten.« Wahrlich eine feine Rede für jemanden, der so bleich und dürr war, doch er verdarb sie ein wenig, indem er plötzlich wankte, die Augen verdrehte und schließlich ohnmächtig auf die Steinfliesen fiel.
    Master Hardy schnaubte verächtlich und stieß dem Fremden sanft die Fußspitze in die Rippen, weil er sehen wollte, ob sich die Gestalt noch regte. Ned rannte los, um einen Wasserkübel und einen Lappen zu holen. Im Handumdrehen war er zurückgekehrt und wischte dem jungen Mann über das Gesicht; dann löste er seinen Umhang und sein feines kambrisches Hemd und deckte dadurch eine üble, klaffende Wunde unter dem Kiefer und eine verschmutzte, eng um den Brustkorb geschlungene Bandage auf.
    »Heilige Mutter Gottes.« Ned zog pfeifend den Atem durch die Zähne ein. Um ihn versammelten sich Bratenwender und Diener wie aus dem Nichts.
    »Hat sich eine rechte Abreibung eingefangen«, sagte Jack Priddy und hielt sich die eigenen Rippen in mitfühlender Erinnerung.
    »Ja.« Ned betupfte eifrig Kehle und Brust des jungen Mannes. »War aber nicht nur eine trockne Schlägerei. Wär’ dieser Kratzer tiefer, so war der Mann geradewegs ins Jenseits befördert worden. Oh.« Der weiche Lappen verfing sich in etwas Rauem unter der Bandage und zog es hervor. An einer dünnen Kette glimmerte es golden. »Oh. Da ist was auf seiner Brust.«
    Master Hardy, der bisher diesem Aufruhr nur mit halbem Ohr zugehört hatte, drückte nun Jack beiseite und kniete sich an seiner Stelle nieder. Er hakte einen fleischigen Finger in die Windung der Kette und zog ein Miniaturporträt hervor, das mit Perlen besetzt und den ineinander verschlungenen und mit Rubinen bestickten Buchstaben E und W verziert war. Es war das Bild eines Mannes mit hässlichem Gesicht und gelben Locken; er war wie ein Lord gekleidet und trug einen weiten Kragen um den Hals. An derselben Kette war ein einfacher, leicht zerkratzter und verbogener Goldring aufgefädelt. Master Hardy drehte das Medaillon und den Ring in seiner breiten Hand hin und her, steckte die beiden Gegenstände dann wieder unter die Bandage und hievte sich auf die Beine.
    »Nun, Küchenjunge, da du dich lieber mit einem Fremden abgibst, als in den Töpfen zu rühren, solltest du ihn aufwecken, bevor jemand anderes ihn bemerkt. Dann gib ihm Brot und Fleisch und wir werden sehn, ob er satt uns seine Dienste genauso bereitwillig anbietet wie im Zustande des Verhungerns.« Ned hastete gehorsamst davon und Master Hardy wurde sich des Umstands gewahr, dass die meisten seiner Untergebenen nicht mehr kochten, sondern sich um den Fremden drängten und diesen anstarrten wie Schafe einen Leckstein aus Salz.
    »Was!«, röhrte er. »Soll Seine Majestät Hunger leiden, damit ein namenloser Tölpel zu essen bekommt? Bei der Heiligen Coqua und ihrer eisernen Kelle, so weit wird es nicht kommen!« Er stemmte die Hände in die breite Hüfte und warf vernichtende Blicke nach rechts und links. Diener und Unterköche, Soßenmeister und Bäcker zerstreuten sich entsetzt blökend aus Angst vor seinem Zorn.
    Glühend vor Eifer und aus Freude über die Befreiung vom Bratspieß, besprenkelte Ned das Gesicht des Fremden mit kaltem Wasser aus der Pumpe, bis er erwachte; dann geleitete er ihn zu einem Stuhl und gab ihm Brot, Fleisch und eine Pinte braunen Biers, das er von Master Hardys persönlichem Fass gezapft hatte. Er sah einsam aus, meinte Ned, und da er wollte, dass sich der Fremde willkommen fühlte, ließ er sich auf dem warmen Herdstein nieder und starrte den jungen Mann mit offenem Mund an. Der Fremde schien diese Prüfung gutmütig aufzunehmen, denn zwischen den einzelnen Bissen lächelte er freundlich und gab Ned einen Schluck Bier ab.
    Während der Fremde sich die Füße wärmte und Wat Brewers starkes Oktoberbier
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