Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit
Autoren: Iris Anthony
Vom Netzwerk:
Flandern
    I ch war letzten Monat so nahe dran gewesen! Ich hatte so viele Spanische Real gespart, wie die Mutter Oberin von mir verlangt hatte.
    Als ich ihr Zimmer betrat, sah sie von ihrem Tisch auf. Ihre Flügelhaube ließ ihren Kopf wirken, als würde er jeden Moment zu schweben beginnen.
    Ich berührte mit meinem Knie den Boden. »Mutter Oberin.«
    »Und du bist?«
    »Mein Name ist Heilwich Martens. Ich komme aus Kortrijk.«
    »Heilwich Martens …«
    »Ich arbeite für Pater Jacqmotte. In der Sint-Maartens-Kerk.«
    »Ah. Eine Pfarrhaushälterin.« Die Mutter Oberin nickte, und die Kopfbedeckung erzitterte.
    »Ich bin gekommen, um mit Euch über meine Schwester zu sprechen. Ich möchte sie mit nach Hause nehmen.«
    »Schwester? Welche Schwester?«
    » Meine Schwester. Meine leibliche Schwester. Katharina. Sie ist Spitzenmacherin.« Ich zog den Beutel aus meinem Ärmel und legte ihn vor ihr auf den Tisch. Die Münzen im Inneren klimperten.
    Die Hand der Mutter Oberin schoss nach vorne und umfasste den Beutel. Sie löste das Band und leerte den Inhalt auf den Tisch. »Katharina, sagst du? Mir wurde gesagt, sie sei unsere beste Spitzenmacherin.«
    Es überraschte mich, dass die Mutter Oberin sie kannte. Andererseits hatte mir Katharina selbst bereits erzählt, dass sie die beste Spitzenmacherin des Klosters war. Ungerechtfertigter Stolz regte sich in mir. Ich spürte, wie ich das Kinn hob.
    »Ihre Fähigkeiten sind uns unabkömmlich.«
    Auch das hatte mir Katharina bereits erzählt.
    »Fähigkeiten, die wir viele Monate, viele Jahre lang gefördert und perfektioniert haben.«
    Ja. Ich wusste nur zu gut, wie viele Jahre zwischen jenem Tag, als Katharina das Haus unseres Vaters verlassen hatte, und meinem jetzigen Besuch im Kloster vergangen waren. Fünfundzwanzig.
    »Das hier reicht nicht aus, um uns für die Aufwendungen zu entschädigen, die wir in ihre Ausbildung investiert haben.« Sie sammelte die Münzen auf und warf sie wieder in den Beutel.
    Kling.
    Kling.
    Kling.
    Kling.
    Kling.
    Sie schnürte den Beutel zu und schob ihn über den Tisch in meine Richtung.
    »Aber … aber … das letzte Mal, als wir uns unterhielten, war das die Summe, die Ihr mir genannt habt!« Und ich hatte fünf Jahre lang hart gearbeitet und gespart, um das Geld zusammenzubekommen.
    »Das ist nun bereits einige Jahre her, nicht wahr?«
    »Ja, aber …«
    »Glaubst du denn, dass wir in der Zwischenzeit aufgehört haben, sie zu fördern? Dass wir ihr nichts mehr zu essen gegeben haben? Nichts mehr anzuziehen? Dass wir ihr keinen Schlafplatz mehr zur Verfügung gestellt haben? Und eine Kapelle, in der sie beten kann?«
    » Nee, aber …«
    »Du wirst natürlich verstehen, dass wir eine Entschädigung für all das verlangen, was wir in sie investiert haben.«
    »Aber sie ist doch nicht Euer … Euer Besitz, wie eine … eine Kuh! Sie ist ein junges Mädchen! Und sie ist beinahe blind, bloß weil sie all die Jahre für Euch Spitze hergestellt hat!«
    »Blind? Tatsächlich? Das werde ich überprüfen müssen.«
    Ich presste die Lippen aufeinander. Ich hatte bereits zu viel gesagt. Aber vielleicht … vielleicht hatte ich ja noch nicht genug gesagt.
    » Ja! Sie geht so gekrümmt wie eine alte Frau. Und bald schon werdet Ihr sie aus dem Kloster werfen, so wie alle Mädchen, die nicht mehr genug sehen können, um Euch weiterhin gute Dienste zu leisten.« Wenn ihr Wert im Kloster schon nicht erkannt wurde, dann würden ihn die Männer, die vor den Klostermauern lauerten, sicher erkennen. Ein Mädchen musste nicht mehr sehen können, um davon überzeugt zu werden, die Beine für zahlende Kunden zu öffnen.
    »Und was schlägst du stattdessen vor? Sollen wir etwa ein Mädchen bei uns behalten, das uns keine Hilfe als Gegenleistung für unsere unermessliche Großzügigkeit mehr anbieten kann? Dann müssten wir unsere Tore wohl bald für immer schließen.«
    »Wenn Ihr schon mein Geld nicht nehmt, könnt Ihr dann wenigstens nach mir schicken, wenn Ihr beschließt, sie hinauszuwerfen?«
    »Wozu?«
    »Damit ich sie mit nach Hause nehmen kann.«
    »Du meinst, wir sollen sie hierbehalten, bis du sie holen kommst?«
    »Ja.«
    »So, als wären wir eine Art Herberge?« Die Art, wie sie die Augenbrauen hochzog, verriet mir ihre Antwort, bevor sie noch weitergesprochen hatte. »Die Strecke von Kortrijk hierher ist ein langer Fußmarsch, selbst wenn dich der Pater kommen lässt. Das kann ich nicht tun. Wenn ich dir diesen Gefallen erweise, dann würde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher