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Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit
Autoren: Iris Anthony
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hätte ich alles nur noch schlimmer gemacht.
    Wie passend, dass ich ihr die Spitze nun nicht mehr nehmen konnte. Dass das, was sie einst begehrt hatte, ihr nun tatsächlich gehörte.
    So viel Blut. So viel Schmerz, so viel Leid für etwas so Immaterielles. Bloß eine Handvoll Fäden, die um nichts als Luft gesponnen waren. »Hier.« Ich nahm das lose Ende der langen Bahn, wickelte es um ihre blutigen Hände und schloss ihre Finger darum. Sie gruben sich in den Stoff, als könnten sie sehen, was ihre Augen ihr inzwischen verwehrten. Eine Spur von einem Lächeln umspielte ihre Lippen. »Spitze«, seufzte sie.
    Ich hatte das Richtige getan, indem ich den Grafen getötet hatte, aber ich hatte einen Fehler gemacht, indem ich Lisette in seiner Obhut gelassen hatte. Nun war alles verloren, und ich wusste nicht, wer mich noch retten konnte. Ich war wieder zu Alexandre Girard geworden. Ich drückte sie an meine Brust. Die Erinnerung an ihr Lächeln und ihre Küsse und ihr Lachen war noch so frisch. Ich schloss die Augen, als ich meine Wange an ihre drückte. Ich wusste nicht, warum ich sie überhaupt jemals geöffnet hatte.
    In diesem Moment packte mich der Vater des Grafen an der Schulter und zog den Dolch ruckartig aus meinem Gürtel. »Woher habt Ihr diesen Dolch?« Die Frage klang wie eine Beleidigung, als würde er mich des Diebstahles bezichtigen.
    Es gab keine größere Sünde als jene, die ich gerade begangen hatte. Ich hatte jemandem vor Gottes Angesicht das Leben genommen. Schon wieder. Trotz meinem Versprechen, niemals wieder jemandem weh zu tun. Und ich kannte keinen größeren Kummer als den, den ich gerade verspürte. Es spielte keine Rolle mehr, wer mein Vater gewesen oder wie er gestorben war. Ich ließ Lisette zu Boden gleiten und stemmte mich vor ihm auf die Beine. »Ich habe ihn von meinem Vater bekommen. Nicolas Girard. Er hat ihn von …«
    »Von dem Kampf in Fontaine-Française.« Er winkte energisch einen der Diener zu sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Diener verbeugte sich und verschwand.
    Man würde mich verhaften, weil ich den Grafen getötet hatte. Daran führte kein Weg vorbei. Sein eigener Vater hatte es gesehen. Ich schloss die Augen und betete für die Gnade, vergessen zu dürfen.
    Einige Minuten später kam der Diener zurück in die Kapelle. Er gab dem alten Mann einen Gegenstand, den dieser schließlich mir entgegenstreckte. »Hier habe ich das Gegenstück zu Eurem Dolch.«
    Finde den zweiten Dolch, fiston. Das ist dein Schicksal.
    Ich konnte die beiden Dolche bloß dümmlich anstarren. Zuerst den einen, dann den anderen.
    »Ihr seid Nicolas Girards Sohn.«
    Ich nickte.
    »Und Ihr habt bewiesen, dass Ihr so tapfer seid wie er.«
    Ich verstand nicht, was er meinte. Ich hatte gerade den Sohn dieses Mannes getötet. An einem heiligen Ort. Was hatte das mit Tapferkeit zu tun? Ich erwartete nichts, als für alle Ewigkeit verflucht und schließlich gehängt zu werden.
    Der alte Mann legte seine zitternde Hand auf meine. »Ich habe heute eine gute Nachricht für Euch. Ich habe die Besitztümer Eures Vaters für Euch verwaltet. Sie grenzen an mein Land.«
    Die Besitztümer meines Vaters? Da irrte er sich sicher. »Mein Vater hatte nie irgendwelche Besitztümer.«
    Er steckte seinen Dolch in seinen Gürtel und nahm mein Gesicht in seine Hände. Dann küsste er meine Wangen. »Heute seid Ihr zum Erben Eures Vaters ernannt worden. Ihr müsst nun seinen Titel und all seine Besitztümer annehmen.«
    Er bot mir einen Titel an? Und Besitztümer? Ich sah an ihm vorbei hinüber zu Lisette. Warum hatte er mir das alles nicht anbieten können, als ich noch eine Verwendung dafür gehabt hatte? Als es noch etwas bedeutet hatte? Ich hätte unsere Schulden begleichen können. Ich hätte Souboscq retten können. Und dann hätte Lisette nicht mit gebrochenen Knochen auf dem Boden gelegen. Ein Lachen stieg in mir hoch, doch als ich meinen Mund öffnete, verwandelte es sich in ein Schluchzen. Diese verdammte, abscheuliche Spitze! Was sollte ich nun mit eigenen Besitztümern anfangen?
    Der Hund trottete auf den Körper des Grafen zu. Er schnüffelte, streckte die Nase nach oben in Richtung Decke und heulte. Dann schlich er zu Lisette.
    »Komm hierher, chiot. «
    Er ignorierte mich.
    »Komm hierher!« Ich würde es nicht ertragen, ihn noch einmal heulen zu hören.
    Er sah mich kurz an, dann schlich er weiter.
    »Mon cher!«
    Obwohl er mit dem Schwanz wedelte und sich seine Muskeln spannten, als wollte er einen
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