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Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit
Autoren: Iris Anthony
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einengte. Das Kleid bauschte sich auf, und als es sich wieder legte, strampelte das Kind erneut.
    Ich wusste, wie es sich anfühlte, ein Kleid zu tragen. Ich wusste, wie sich die Freiheit anfühlte, die man unter einem Rock verspürte. Ich wusste, wie es war, wenn man sich drehte und drehte und drehte und der Rock und der Unterrock um einen herumwirbelten.
    Ich war auch einmal von allen Zwängen befreit gewesen.
    Dieses Kind konnte sein, was ich nicht war. Sie war alles, was ich hätte sein sollen. Es spielte keine Rolle, dass das Kind kein Junge war. Es verhöhnte mich dennoch. Es streckte eine Faust in die Höhe und traf das Kinn des Mädchens. Sie lächelte bloß und küsste seinen flaumigen Kopf. Dann warf sie einen Blick auf mich, beugte sich zu der Marquise hinüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Nachdem sie einen weiteren Blick auf mich geworfen hatte, hielt sie das Kind noch fester umklammert.
    Meine Stiefmutter runzelte einen Moment lang die Stirn, doch dann zuckte sie kaum merklich mit den Schultern und nickte.
    Warum hatte man das Kind in die Obhut des Mädchens übergeben? Warum kümmerte sich nicht eine Amme darum?
    Ich beugte mich hinüber und fragte den Marquis.
    Er runzelte die Stirn. »Weil das Mädchen darum gebeten hat. Und nun sei still. Der Kardinal fängt gleich an.«
    Sie hatte darum gebeten? Aber … das war seltsam. Warum sollte sie darum bitten, sich um ein Kind kümmern zu dürfen, das nicht ihr eigenes war? Üblicherweise kümmerte sich eine Amme um das Neugeborene. Mein Blick wanderte zu der Marquise. Ich sah sie prüfend an. Sicher wollte sie sich nicht selbst um das Kind kümmern. Wenn ich sie richtig einschätzte, dann hatte sie sicher vorab eine Amme ausgewählt. Warum sollte sie ihre Pläne also geändert haben?
    Der Kardinal begann mit seiner Messe und fuchtelte mit seinen Händen umher. »Welchen Namen soll das Kind bekommen?«
    Mein Vater öffnete den Mund, um zu antworten.
    Es ergab keinen Sinn … es sei denn … Ich ließ den Blick von dem Kind zu dem Mädchen wandern. Sie schien mir auszuweichen. Es gab bloß einen Grund, der ihr Verhalten sinnvoll erscheinen ließ. Ich drängte den Kardinal zur Seite, zog das Schwert und sprang auf das Mädchen zu.
    »Gib mir das Kind!«
    Sie versteckte sich hinter dem Kardinal und rief dem Marquis etwas zu.
    »Es ist ein Junge, mein Herr!« Ihre Stimme klang laut und bestimmt, obwohl sie zitterte.
    Gabrielle schnappte nach Luft.
    »Ein Junge, mein Herr!« Ich wünschte, das Mädchen würde ihren Mund halten. Es war ein Junge, und ich würde ihn töten.
    Der Marquis, der Tölpel, stand bloß da und glotzte wie eine gestopfte Gans.
    Ich lief auf das Mädchen zu, das hinter dem Kardinal hervortrat und auf die steile Wendeltreppe zusteuerte, die sich im hinteren Teil der Kapelle befand. Sie sah aus wie ein Turm mit hohen, offenen Gewölbebögen. Das Mädchen drückte das Kind an ihre Brust und stürmte die Treppe hinauf auf einen Balkon, der sich hoch oben unter der gewölbten Decke befand. Er war für einen Sänger oder Musiker gedacht und kaum größer als ein Sarg. Die Treppe war der einzige Zugang.
    »Du läufst vor mir davon!« Erbost über ihre Frechheit, griff ich nach ihrem Rock, der gerade hinter dem Stützpfeiler verschwand. Sie stolperte und schrie auf. Ich zog noch einmal daran, und sie rutschte mir entgegen.
    »Julien! Genug jetzt!« Mein Vater stand am Fuß der Treppe. Sein Gesicht war dunkelrot vor Hass.
    Aus den Augenwinkeln nahm ich eine hektische Bewegung wahr. Das Mädchen. Ich knirschte mit den Zähnen und stürzte hinter ihr her.
    Sie trat mit dem Fuß nach mir und traf mich am Kinn.
    Diese Göre! Ich packte ihren Knöchel und drehte ihn um. Ich spürte, wie sich meine Lippen zu einem Lächeln verzogen, als sie vor Schmerz aufschrie.
    Sie fiel auf den Rücken, als ich sie die Treppe hinunter in meine Richtung zog.
    Das Kind weinte in ihren Armen, während ihr Kopf auf den Steinstufen aufschlug. Ich würde dafür sorgen, dass er den Mund hielt! Ich ließ ihren Knöchel los und zog mein Schwert.
    Doch bevor ich ihn für immer zum Schweigen bringen und meine Zukunft sichern konnte, drehte sich das Mädchen auf den Bauch und versteckte das Kind unter sich. Als ich einen Schritt zurücktrat, damit ihre tretenden Füße mich nicht trafen, nutzte sie die Gelegenheit und krabbelte die Treppe hoch. Ihr Rock schob sich bis zu den Hüften hoch. Im nächsten Augenblick war sie bereits hinter der ersten Biegung verschwunden.
    »Ich
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