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Die blonde Geisha

Die blonde Geisha

Titel: Die blonde Geisha
Autoren: Jina Bacarr
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in den Sitz.
    “Konzentriere dich auf deine Aufgabe, Kathlene.”
    “Ich versuche mein Bestes, Vater, aber du sagst mir ja nichts”, platzte ich heraus.
    “Das kann ich nicht. Alles was du wissen musst ist, dass du meine Tochter bist und dich entsprechend zu benehmen hast.”
    Verärgert überkreuzte ich die Beine, meine schwarzen Stiefel versanken in der weichen Bodenmatte. Um es mir in den nassen Kleidern einigermaßen bequem zu machen, zappelte ich in dem mit rotem Samt bezogenen Sitz hin und her. Ich wollte meinem Vater gegenüber nicht respektlos sein, aber ich fürchtete mich.
    Fragend blickte ich zu ihm hinüber, ging im Geiste noch einmal die Ereignisse des vergangenen Tages durch und versuchte zu verstehen, warum er mich aufgefordert hatte, meine Sachen zu packen, um Tokio umgehend zu verlassen. Dann hatte er die Haushälterin angewiesen, Reis, eingelegten Rettich und winzige Streifen rohen Fischs in Proviantbüchsen zu verstauen, damit wir für unsere lange Reise etwas zu essen hatten.
    Ich wünschte, er würde sich mir anvertrauen, wie er es sonst auch tat. Aber diesmal sagte er nichts, befahl mir nur, mit niemandem zu sprechen.
    “Mein Leben hängt davon ab, Kathlene”, sagte er und steckte die rechte Hand unter seine Jacke, als ob dort eine Pistole verborgen wäre.
    Mein Vater war ein gut aussehender Mann, doch jetzt, wie er nach vorne gebeugt in der Rikscha saß, sah er merkwürdig aus, fast fremd. Sein ordentlich rasiertes Gesicht war vom Regen nass, er trug keinen Hut, sein Haar war verfilzt. Auf seinem schwarzen Mantel glitzerten Tropfen. Selbst seine schwarzen Lederhandschuhe glänzten nass und spielten meiner Fantasie einen Streich, wie hypnotisiert stellte ich mir vor, dass diese ganze Flucht nur ein Spiel war. Dass alles in Ordnung war.
    Was sollte denn auch nicht in Ordnung sein in diesem wunderschönen, lebhaft grünen Land der zarten Pflaumenblüten? Wo das bezaubernde Lied der Glocken bei jedem Windhauch erklang und hellrote Ahornblätter zu ihrer Melodie tanzten?
    Für mich war dies ein sanftes Land mit sanften Bewohnern. Und die einzige Heimat, die ich kannte, seit mein Vater mich als kleines Mädchen mit meiner Mutter nach Japan gebracht hatte. Er hatte gewusst, dass meine Mutter kränklich war und die Überseereise von San Francisco nach Japan sie noch mehr schwächen würde. Aber Mutter hatte sich geweigert, ohne ihn zurückbleiben.
    Also fuhr sie mit. Und ich auch.
    Mein Herz schmerzte vor ungeweinten Tränen als ich versuchte, mich an meine Mutter zu erinnern. Das war nicht leicht. Sie starb bereits im ersten Jahr. Meine Trauer hatte ich nie mit jemandem geteilt. Schon gar nicht mit meinem Vater. Er schien mir gegenüber seine Gefühle zurückzuhalten, und doch wusste ich, dass er mich liebte. Deswegen begriff ich auch nicht, warum er sich so merkwürdig verhielt.
    Was hast du getan, Papa?
Ich wollte ihn so gerne fragen, traute mich aber nicht. Auch hätte ich ihn niemals Papa genannt, denn das war ein Begriff, den er nicht verstand. Er war mein Vater. Nicht mehr. Nicht weniger.
    Ich krallte mich im Sitz fest, als die dünnen Räder über eine kleine Brücke ratterten. Wieder schielte ich hinter dem Vorhang hervor, und diesmal zog mein Vater mich nicht zurück. Ich seufzte entzückt. Bald würde die Sonne untergehen, und ich staunte über die Berge, die violette Schatten auf ihre eigenen Hänge warfen und über die ausgedehnten Weizenfelder, die der Regen in einen See aus purem Gold verwandelt hatte.
    Ein Wasserspritzer traf meine Nase. Ich wischte ihn weg, schimpfte halb auf Japanisch, halb auf Englisch vor mich hin. Es fiel mir nicht schwer, zwischen den beiden Sprachen hin- und herwechseln, weil ich beide gleichzeitig gelernt hatte. Japan war die längste Zeit meines Lebens meine Heimat gewesen, auch wenn ich mich mit meinem blonden Haar oft fremd fühlte. Mein Vater hatte mir versichert, dass ich so hübsch wie meine Mutter werden würde. Allerdings ahnte er nicht, dass mich dieses Kompliment so sehr entzückte, weil ich eine Geisha werden wollte. Meine Mutter hätte meinene Plan bestimmt gebilligt. Geishas wurden von jedermann verehrt, für ihre Schönheit, ihre Anmut, ihren Stil, ihren Geist.
    Unglücklich seufzte ich. Solange ich in dem Kloster blieb, würde ich niemals eine Geisha werden. Ich wäre zu einem Leben freudlosen Gehorsams verdammt, die Tage mit Gebeten und die Nächte mit Einsamkeit erfüllt. Die prachtvolle Schönheit der Welt der Blumen und Weidenbäume
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