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Die blonde Geisha

Die blonde Geisha

Titel: Die blonde Geisha
Autoren: Jina Bacarr
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verfolgen.
    “Okâsan sagt, ich darf meinen Kragen wenden und das weiße Band einer Geisha tragen”, sagte ich zu Mariko, die neben mir stand.
    “Ist es das, was du dir wünschst, Kimiko-san?”
    “Ja, Mariko-san, genau das wünsche ich mir.”
    Warum klangen meine Worte so hohl? Weil der Gaijin fort war und mein Herz mitgenommen hatte? Für eine Geisha war es doch tabu, sich zu verlieben.
    “Geishas sind erhabene freie Geister, Kimiko-san, zugleich aber auch eingesperrte Vögel”, sagte Mariko ermunternd. “Und das ist es, was uns so anziehend für Männer macht.”
    “Nein, Mariko-san, Geishas sind unabhängige Frauen, die so leben, wie sie es wollen”, behauptete ich. Dann fügte ich noch hinzu: “Solange wir uns nicht verlieben.”
    Wir liefen durch das Tor zurück in den Garten. Die Luft hatte sich merklich abgekühlt, der Wind rauschte durch die Blätter der großen Weide. Bald würde es regnen.
    “Eine Geisha muss ihre Augen mit einem Schleier bedecken, wenn sie einen Mann sieht, der ihr Herz höher schlagen lässt”, sagte Mariko. “Sie darf nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.”
    “Aber du hast doch tiefe Gefühle für Hisa-don.” Ich blieb unter dem Sehnsuchtsbaum stehen. “Ist das keine Liebe?”
    “Ja, ich liebe ihn, aber bald werde ich eine Geisha sein. Ich habe gelernt, keine Freude, Schmerzen oder Liebe zu zeigen, sondern anmutig meinem vorgegebenen Weg zu folgen. Ich muss warten, bis Okâsan einen Wohltäter für mich auswählt.” Nach kurzem Zögern fuhr sie fort: “Du hast das unerschrockene Herz eines Mannes, Kimiko-san, und das ehrliche Herz einer Geisha. Aber das reicht nicht.”
    Scharf blickte ich sie an. “Was willst du damit sagen, meine Geisha-Schwester?”
    “Ich glaube, um wirklich glücklich zu werden, musst du deinem Herzen folgen.”
    Ihre Unterlippe bebte, sie biss heftig darauf, was dadurch, dass nur diese rot geschminkt war, noch dramatischer wirkte. Aber die Farbe konnte den Blutstropfen nicht verbergen.
    “Deine Lippe blutet, Mariko-san.” Ich zog ein Taschentuch aus meinem Kimonoärmel.
    “Nein, Kimiko-san.” Mariko versuchte ein Lächeln. “Es ist nur so, dass ein Rotkehlchen versucht hat, eine Kirsche von meinen Lippen zu picken.”
    Mit einem wehen Gefühl betrachtete ich sie. Meine Geisha-Schwester hatte mir den Weg gezeigt, obwohl sie wusste, dass ich ihn allein gehen würde. Ohne sie.
    Wir standen vor dem Sehnsuchtsbaum, die langen Äste erinnerten mich an das Winken einer Geishahand, die ihrem Liebsten Lebewohl sagt. Ich kann in dem Teehaus des Sehnsuchtsbaumes bleiben, dachte ich, und die Geisha eines mächtigen Mannes werden. Aber ich werde ihn niemals lieben. Eine Geisha verschenkt ihr Herz nur ein einziges Mal, und meines war bereits vergeben. An Reed-san.
    Ich spürte eine Hand auf meinem Arm. “Worauf wartest du, Kimiko-san? Beeil dich oder du wirst ihn für immer verlieren.”
    “Ich darf ihn nicht verlieren.”
    “Dann lauf ihm hinterher, meine Geisha-Schwester. Lauf!”
    Schnell kickte ich die Holzschuhe von den Füßen und rannte los, rannte und rannte und rannte. Ich glaubte, meine Lungen müssten jeden Moment platzen, mein Herz aussetzen, aber meine Seele war befreit. Plötzlich hörte ich jemanden schreien, dachte, es wäre Mariko und begriff dann, dass es meine eigene Stimme war. Ein dicker Regentropfen platschte auf meine Nase und erinnerte mich daran, dass es in der Nacht, in der ich das Teehaus des Sehnsuchtsbaumes zum ersten Mal betrat, auch geregnet hatte. Es war höchste Zeit, dass ich es verließ und meinem Herzen folgte.
    “Halt! Halt!” schrie ich Hisa an. Er verlangsamte seinen Schritt, drehte den Kopf und nickte zustimmend. Atemlos erreichte ich das Ende der engen Gasse.
    “Was zum …” hörte ich Reeds Stimme.
    “Ich lasse dich nicht ohne mich gehen, Reed-san”, schrie ich.
    Barfuß, außer Atem und schwitzend stand ich vor der Rikscha. Reed zog den Vorhang zur Seite und strahlte mich an. “Bist du sicher, dass du mit mir kommen willst, Kathlene?”
    “Ja,
ja!
Ich bin sicher. Ich … ich möchte bei dir sein.”
    Reed grinste. “Ich hatte so gehofft, dass du deine Meinung noch änderst. Und falls ja …”
    Er beugte sich nach vorne und zog meinen kleinen Koffer hervor. Überrascht schlug ich eine Hand vor den Mund. Es war derselbe Koffer, den ich vor drei Jahren in das Teehaus des Sehnsuchtsbaumes mitgebracht hatte.
    “Woher hast du diesen Koffer?” fragte ich.
    “Von deiner Mama-san. Sie hat ihn
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