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Die bitter sueße Fortsetzung

Die bitter sueße Fortsetzung

Titel: Die bitter sueße Fortsetzung
Autoren: Frieda Lamberti
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um mich, bis die Polizei endlich Bescheid gab, dass ich »die Entführung« unbeschadet überstanden habe. Heute Morgen konnte ich hören, wie er zu Anja sagte:
   »Lange schaue ich mir ihre Melancholie nicht mehr tatenlos mit an. Kannst du ihr nicht Beine machen?«
   »Sie muss endlich wieder essen.« Wie stellen sich die beiden das nur vor? Aufstehen, arbeiten und schön brav aufessen. Einfach zur Tagesordnung übergehen! Aber das kann ich nicht. Warum will das denn niemand verstehen?

Nebenan tagt der Familienrat. Julian ist gekommen und gibt Martin kluge Ratschläge. Er will mich zur Kur schicken oder wie es heute heißt, auf Wellness Urlaub. Mein beinahe Ehemann findet die Idee nicht gut. Er will mich nicht alleine verreisen lassen, weil er mich nicht begleiten kann. Termine. Termine. Soviel zum Thema, wir ändern unser Leben. Ob ihm seine Termine wohl auch so wichtig gewesen wären, wenn ich mit im Auto gesessen hätte? Jetzt wirst du aber ungerecht, Charlotte! Der Druck in meiner Brust ist kaum noch auszuhalten und ich nehme entgegen aller Versprechen das Päckchen mit den Tabletten aus meinem Nachtschrank. Neben meinem Bett steht eine Flasche stilles Wasser und ich drehe gerade den Verschluss auf, als sich die Tür zu meinem Zimmer öffnet. Elias, mein Enkel, stürzt herein und springt zu mir aufs Bett.
   »Omi«, ruft er laut und lächelt mich in seiner unvergleichlichen, zauberhaften Art an. Er umklammert meinen Hals und drückt mich fest. Ob ich krank bin, will er wissen und ich sage, dass ich nur müde und traurig bin. Ohne lange zu überlegen, zieht er sich die Schuhe aus und legt sich dicht neben mich.
   »Dann erzähle ich dir jetzt eine Geschichte. Genau wie du es immer getan hast, als ich so traurig war. Hast du etwa auch ins Bett gemacht?« Er macht einen Satz und springt wieder auf.  Mit gerümpfter Nase und einem unverkennbaren Blick von Ekel und Abscheu überprüft er mit seinen Fingerspitzen die Matratze. Seine Vermutung sorgt für meinen ersten Lacher seit Tagen.
   »Nein, Elias, keine Sorge, mein Bett ist trocken.«
   »Gut, Oma«, sagt er sichtlich erleichtert. »Wäre ja aber auch nicht schlimm. Kann ja mal passieren.«
   »Komm her, du weltbester Seelentröster und gib mir noch einen Kuss.«
   »Hast du Eis im Kühlfach?«
   »Na klar. Erdbeere, Schoko und Stracciatella.«
Meinem kleinen Zwerg ist es gelungen, mich mit der banalen Bitte nach Eiscreme aus dem Bett zu locken.

Ich schaue auf die Uhr und weiß, dass meine Vormittagsfrauen gleich Feierabend machen. In meinem schlabbrigen Hausanzug gehe ich ins Erdgeschoss und begrüße sie das erste Mal seit Wochen wieder. Wie es Maria geht, will ich von Mathilda wissen. Die beiden verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft und ich weiß, dass sie die richtige Person ist, wenn es darum geht, eine ehrliche Auskunft zu erhalten.
   »Sie ist am Boden zerstört. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um sie. Der Schmerz frisst sie noch auf. Sergio und Alfredo geben ihr Bestes, aber...« Ja, denke ich. Wie schmerzhaft es sein muss, das eigene Kind begraben zu müssen, kann und möchte ich mir gar nicht vorstellen. Es wird höchste Zeit, dass wir endlich miteinander reden...............

Mit einem Blumenstrauß in der Hand öffne ich das schwere Eisentor. Es ist früh am Morgen und Nebel hat den kleinen Friedhof noch fest umschlungen. Der feucht moderige Geruch von Herbstastern und Chrysanthemen bahnt sich den Weg in meine Nase.
   »Du folgst dem Hauptgang bis zur Kapelle. Danach ist es der zweite Weg rechts. Du kannst es nicht verfehlen«, erklärte Sergio mir den Weg zur Grabstätte seines Bruders. »Mamma verbringt täglich Stunden an seinem Grab. Ja, Carlotta, sprich mit ihr. Sie macht sich die größten Vorwürfe und gibt sich die alleinige Schuld an dem Unglück.«
   »Warum?«
   »Frag sie selbst.«

In der Friedhofsgärtnerei habe ich nicht nur die Blumen, sondern auch gleich eine Vase gekauft. Als ich sie am Brunnen mit Wasser fülle, kann ich Maria schon sehen. Sie stellt gerade eine Schale mit Heidepflanzen auf das Grab, als ich sie leise begrüße. Mehr als meinen Namen erwidert sie nicht und bricht sofort in Tränen aus. Wir umarmen uns und sie drückt mich fest an sich. Immer wieder stammelt sie, wie leid es ihr tut und dass sie es hätte verhindern können.
   »Wie Maria? Wie hättest du es verhindern können?« Sie greift nach meiner Hand und zieht mich auf eine nahegelegene Bank.
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