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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks
Autoren: Jochen Thies
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Gentleman keinen Geschmack und keine Hämorriden hat«. Schließlich ermahnt er seinen Vetter, sich Zeit mit der Antwort zu lassen, »du gesunkener Sohn der Republik. Ich werde indes über die Vergänglichkeit der Jungfernschaft nachdenken. Dein Dich platonisch liebender Vetter OvBismarck.«
    Wenige Wochen nach dem Versenden des zitierten Briefes meldete sich Bismarck zum frühestmöglichen Zeitpunkt zum Abitur an – es gab damals zwei Termine zu Ostern und zu Michaelis (29.   September) – und verzichtete damit wohl auch auf einen besseren Notendurchschnitt. Das Durchschnittsalter der Abiturienten lag zu seiner Zeit um zweieinhalb Jahre höher. 11 Von seinen Konabiturienten gehörten zwei seinem Geburtsjahrgang 1815 an, vier dem Jahrgang 1814, zehn dem Jahrgang 1813, drei dem Jahrgang 1812 und einer dem Jahrgang 1811.
    Klassenprimus war ein gewisser Köpke, der Sohn des Direktors des Grauen Klosters Dr.   Georg Gustav Samuel Köpke. Er wurde später Direktor der Ritter-Akademie in Brandenburg an der Havel. Vater Köpke, der zwei Jahre vor Bismarcks Ankunft Direktor der Schule geworden war, reformierte gemäß einer Verfügung des preußischen Kultusministeriums den Lehrplan. Das Fach Deutsch wurde auf Kosten der alten Sprachen gestärkt. Im Abiturjahr von Bismarck waren die Prüfungsfragen in diesem Fach so modern wie im heutigen Schulbetrieb. »Als normales Produkt unseres staatlichen Unterrichts verließ ich Ostern 1832 die Schule als Pantheist, und wenn nicht als Republikaner, doch mit der Überzeugung, daß die Republik die vernünftigste Staatsform sei …«, heißt es im ersten Satz von Bismarcks Gedanken und Erinnerungen – eine leichte Untertreibung angesichts seiner erhalten gebliebenen Prüfungsergebnisse beim Abitur. Sie belegen, dass er im Fach Deutsch, in Latein und Griechisch gut oder ziemlich gut abschnitt, »mit Erfolg« Englisch und Französisch gelernt hatte, aber in Mathematik, erstaunlicherweise aber auch in Geschichte und Geografie nur mit befriedigend bewertet wurde. Er lag damit an 15. Stelle im Klassement des 18-köpfigen Jahrgangs. Die Protokolle über den Verlauf von Bismarcks Prüfungen klingen aber deutlich günstiger, als es die tatsächlichen Noten aussagen. Wahrscheinlich haben die Lehrer den sehr jungen Kandidaten härter bewertet als seine deutlich älteren Klassenkameraden.
    Schlecht scheint die Ausbildung in Berlin nicht gewesen zu sein, wo Bismarck im Alter von 16   Jahren auch von dem Theologen Friedrich Schleiermacher konfirmiert worden war. Getrimmt durch die hohen Anforderungen im Gymnasium benutzte Bismarck in seinen Reden später gern lateinische Zitate. Er sprach als Erwachsener ein sehr gutes Englisch und Französisch, vermutlich auch wegen der Zeit bei dem Abbé. Als 1830 in Paris die Julirevolution ausbrach, schickte ihn seine Mutter während eines Berlin-Aufenthaltes mehrfach ins Café Josty. Dort besorgte er sich die neuesten Zeitungen aus Paris und las ihr anschließend daraus vor. Otto von Bismarck konnte auch Russisch, er hatte Kenntnisse in der italienischen und polnischen Sprache und sprach rudimentär Spanisch, Dänisch und Niederländisch.
    Wie sein Vater war Bismarck allerdings kulturell nicht besonders interessiert. Er war kein Stadtmensch. Er lehnte es ab, einen Regenschirm zu benutzen, und fuhr bei jedem Wetter im offenen Wagen. Er liebte den ländlichen Raum, zeigte ein gewisses Interesse für Literatur, hörte gern Musik, ging jedoch nicht in Museen. Die großen städtebaulichen Veränderungen in Berlin, etwa die Entstehung der Museumsinsel, auf der 1829 das Alte Museum fertiggestellt wurde, scheinen spurlos an ihm vorübergegangen zu sein. Die Entwicklung der Residenzstadt hin zu einer Metropole und die damit verbundenen Architekturfragen haben Bismarck Zeit seines Lebens nicht interessiert.
    Als Bismarck im Mai 1832 das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen aufnahm, war er knapp 17   Jahre alt, hellblond, mit einem Gesicht voller Sommersprossen, spindeldürr und 1,92   Meter groß. Diesen baumlangen Bismarck-Typus trifft man noch heute in der Familie an. Sportlich war Bismarck hoch talentiert und zeitlebens ein tollkühner Reiter. Wie in den Jahren zuvor hatte seine Mutter bei der Wahl des Studienfaches und sogar des Studienortes eine entscheidende Rolle gespielt. Sie wünschte sich, dass Otto später Diplomat werden würde. Es waren die Tage des Hambacher Festes, an den Universitäten und im Westen Deutschlands
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