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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks
Autoren: Jochen Thies
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seinem späteren Leben hat er die Stille des Waldes gesucht, das Gespräch mit den Bäumen. Klassenschranken gab es für den kleinen Jungen noch nicht. Er kannte die Gutsknechte mit Namen und spielte mit den Dorfkindern. Bismarck wäre als Kind gern Förster geworden. Später hat er einmal gesagt: »Am besten ist mir da zumute, wo man nur den Specht hört.« Ein 1826 von dem preußischen Hofmaler Franz Krüger gefertigtes Porträt zeigt einen elfjährigen, kecken, hellwachen Jungen mit struppigen Haaren.
    Die nächste Etappe auf seiner beschwerlichen bildungsbürgerlichen Reise bildete das Berliner Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, das er von 1827 bis 1830 zusammen mit seinem älteren Bruder besuchte. Trine Neumann, die für die Buben zuständige Haushälterin auf dem Kniephof, begleitete die beiden. Wenn sie zur Freude der Kinder wie gewohnt einen Eierkuchen buk, sagte sie: »Bliwt nich so lang ut, dat mine Kauken nich aufbacken.« Natürlich kamen die Bismarck-Jungen verspätet zurück. Dann hieß es: »Donnerwetter, Jungens, aus juch ward im Leben nix Vernünftiges.« Bernhard und Otto war es gleich, Hauptsache, Trine Neumann war da. Ihr Leben und Denken kreiste um die Ferien in Pommern. Die Schule war nur eine lästige Unterbrechung.
    Vom Friedrich-Wilhelms-Gymnasium zog Otto schließlich weiter zum berühmten Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster. Dort traf er einen Jungen wieder, den er schon aus Pommern kannte und der eine wichtige Bezugsperson in Bismarcks Leben werden sollte, Moritz von Blanckenburg. Das Umfeld der Schule in der Klosterstraße unweit des Berliner Rathauses, das erst einige Jahre später gebaut wurde, veränderte sich während der Schulzeit rasch. Heute erinnert nur noch die Ruine der Klosterkirche an das ehedem dicht bebaute und noch vom mittelalterlichen Stadtbild geprägte Kloster- und Schulgelände. Hier ging die Geisteselite Preußens zur Schule. Die 1574 gegründete Schule hatten im 18.   Jahrhundert Schadow und Schinkel besucht sowie der spätere »Turnvater« Jahn, der wie der Theologe Schleiermacher und der Historiker Droysen zum Lehrkörper des Grauen Klosters gehörte. Ostern 1832 bestand Bismarck an dieser Schule das Abitur.
    Während seiner Berliner Jugendjahre lebte Bismarck zunächst in der Stadtwohnung seiner Eltern in der Behrenstraße 53. Im Winter war die Familie dort beieinander, in den Sommermonaten und während der Ferien wurde er von der Haushälterin verpflegt. Ein Hauslehrer erteilte ihm zusätzlichen Unterricht in den Fächern Französisch und Englisch. Als seine Eltern die Wohnung 1830 aufgaben, kam der Junge als Pensionär bei dem französischen Abbé Prevôt in der Königstraße 61 unter und später bei Eduard Bonnell, einem sehr jungen Lehrer seiner Schule. Bonnell, ein Hugenotten-Nachfahre mit engen Verbindungen zur großen französischen Kolonie in Berlin, wohnte »Am Königsgraben 4«. Bonnell blieb bis 1838 am Grauen Kloster und wurde später Direktor des Friedrichwerder’schen Gymnasiums. Bismarck muss eine sehr enge Verbindung zu diesem Lehrer gehabt und behalten haben, denn er schickte später seine Kinder auf Bonnells Schule. Zum Grauen Kloster verhielt Bismarck sich hingegen distanziert und lehnte die Teilnahme an der Dreihundert-Jahr-Feier seiner alten Schule im Jahre 1874 mit einer handschriftlichen, aber fadenscheinigen Begründung ab.
    Entgegen den Annahmen vieler Biografen war Bismarck ein guter Schüler. Sein einziges Handicap war seine Jugend. Er ragte zwar außer in Geschichte in keinem Fach besonders heraus, wurde im Allgemeinen jedoch mit ordentlichen Noten bedacht. Er lernte offenbar leicht, tat jedoch wegen seines Heimwehs nur das Minimum und fehlte häufig im Unterricht. Daher erschien er auf den Ranglisten, die in der Schule für jede Klasse niedergeschrieben und aufbewahrt wurden, nur im Mittelfeld oder auf den hinteren Plätzen. Der Platz in der Rangliste entsprach dem Sitzplatz während des Unterrichts – eine tägliche Mahnung.
    Was in ihm schlummerte, welche frühen Hinweise es auf den Erwachsenen mit seinen scharfen, witzigen Formulierungen gab, zeigt ein Brief des 16-jährigen Bismarck an seinen Potsdamer Cousin Gustav von Kessel vom 19.   Januar 1832. Er beginnt mit der Anrede »Vetter wie es wenige gibt«. Danach spielt Bismarck mit dem seinerzeit beliebten Begriff »Ruhe ist die erste Bürgerpflicht« und fährt fort: »… ich sehe gern in Allem klar und deutlich.« Der pubertierende junge Mann weiß sodann, »dass ein
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