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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
Autoren: Sue Monk Kidd
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reichte, wenn er mich zurück nach Sylvan verschleppte, aber er brauchte nicht auch noch zu wissen, wo Rosaleen war. Wenigstens das könnte ich ihr ja ersparen.
    Zu Rosaleen sagte er auch weiter nichts. Er schien vollkommen zufrieden damit zu sein, die Lehne des Schaukelstuhls zu zerkerben, als ob er elf Jahre alt wäre und seine Initialen in einen Baum ritzte. Ich glaube, er war ganz froh, dass er sich nicht auch noch mit ihr herumschlagen musste. Ich fragte mich, wie ich in Sylvan überleben würde. Ohne Rosaleen.
    Plötzlich hörte er auf, hin und her zu schaukeln, und das widerwärtige Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. Er starrte auf meine Schulter, mit so eng zusammengekniffenen Augen, dass sie fast geschlossen waren. Ich blickte an mir hinunter, um zu sehen, was seine Aufmerksamkeit so erregt hatte, und begriff, dass er auf die Walbrosche an meiner Bluse stierte.
    Er stand auf und kam rüber zu mir, blieb aber anderthalb oder einen Meter von mir entfernt stehen, als ob die Brosche eine Art Voodoozauber ausüben würde. »Woher hast du das?«, fragte er.
    Meine Hand glitt unwillkürlich an die Brosche und berührte die kleine Fontäne aus Quarzstein. »Augusta hat sie mir gegeben. Die Frau, die hier wohnt.«
    »Lüg mich nicht an.«
    »Das ist keine Lüge. Sie hat sie mir gegeben. Sie sagte, sie gehörte...« Ich hatte Angst, es zu sagen. Er wusste ja nichts von Augusta und meiner Mutter.
    Seine Oberlippe war kalkweiß geworden, so wie immer, wenn er höllisch wütend wurde. »Ich hab diese Brosche deiner Mutter zu ihrem zweiundzwanzigsten Geburtstag geschenkt«, sagte er. »Und du sagst mir jetzt, wie hat diese Augusta sie in die Finger gekriegt?«
    »Du hast diese Brosche meiner Mutter gegeben? Du warst das?«
    »Antworte mir, verdammt noch mal!«
    »Hier ist meine Mutter hergekommen, als sie von uns weggelaufen ist. Augusta sagte, sie trug sie an dem Tag, als sie hier ankam.«
    Er ging zurück zum Schaukelstuhl und ließ sich in den Sitz fallen. Er sah erschüttert aus. »Verdammt, das darf doch nicht wahr sein«, sagte er so leise, dass ich ihn kaum hören konnte.
    »Augusta hat sich um sie gekümmert, damals in Virginia, als sie noch klein war«, versuchte ich zu erklären.
    Er starrte in die Luft, ins Nichts. Draußen vor dem Fenster, im Hochsommer von Carolina, knallte die Sonne auf das Dach seines Lasters und strahlte die Spitzen des Gartenzauns an, der beinahe völlig unter dem Jasmin verschwunden war. Der Laster war mit Matsch und Schlamm bespritzt, als ob T. Ray Sümpfe durchkämmt hätte, um mich zu finden.
    »Das hätt ich mir ja denken können.« Er schüttelte den Kopf, er sprach, als wäre ich gar nicht im Raum. »Ich hab sie überall gesucht, in jedem Winkel. Und dabei war sie hier. Gütiger Heiland, hier war sie.«
    Der Gedanke schien ihn zu quälen. Er schüttelte den Kopf und sah sich um, als ob er dachte: Ich wette, sie hat in diesem Stuhl gesessen. Ich wette, sie ist über diesen Teppich gegangen. Sein Kinn zitterte ein wenig, und da ging mir schlagartig auf, dass er sie geliebt haben musste, dass es ihn zerrissen hatte, als sie fortging.
    Ich dachte an Augustas Worte. Weißt du, Lily, manchmal sind Menschen so oder so, und nach einer Weile dann, je nachdem, was sie erleben, werden sie jemand vollkommen anderes. Ich habe gar keinen Zweifel, dass er deine Mutter anfangs wirklich geliebt hat. Ich glaube sogar, dass er sie angebetet hat.
    Ich hatte nie erlebt, dass T. Ray jemand anderen als Snout angebetet hätte, die Hundeliebe seines Lebens, aber als ich ihn jetzt so sah, da wusste ich, er hatte Deborah Fontanel geliebt, und als sie ihn verlassen hatte, war er in Bitterkeit versunken.
    Er stieß das Messer ins Holz und stand auf. Ich sah auf den Griff, der in die Luft ragte, dann auf T. Ray, der durch das Zimmer ging und alle möglichen Gegenstände berührte, das Klavier, den Hutständer, eine Zeitschrift auf dem Beistelltisch.
    »Sieht aus, als wärste ganz allein hier«, sagte er.
    Ich spürte, wie es nahte. Bald würde alles vorbei sein.
    Er ging schnurstracks auf mich zu und griff nach meinem Arm. Als ich ihm ausweichen wollte, schlug er mich mitten ins Gesicht. T. Ray hatte mich schon oft verhauen, mit scharfen, schnellen Schlägen auf die Wange, Schläge, die einen japsend und erstaunt einatmen lassen, aber das, das war etwas Anderes, das war keine Ohrfeige. Er hatte mit aller Kraft zugeschlagen. Ich hatte das Ächzen gehört, das vor Anstrengung von seinen Lippen gekommen war,
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