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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
Autoren: Sue Monk Kidd
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verrottet wäre, und Mabelee hatte mir für die Fenster blau-weiß getupfte Vorhänge genäht, mit einer Bordüre aus kleinen Bommeln. Cressie hatte mir vier achtbeinige Kraken aus verschiedenfarbigem Garn gehäkelt, die jetzt alle auf meinem Bett saßen. Eine Krake hätte mir zwar völlig gereicht, aber da Häkeln die einzige Handarbeit ist, die Cressie beherrschte, hörte sie nicht mehr auf, wenn sie damit erst einmal angefangen hatte.
    Lunelle machte mir einen Hut, der alles ausstach, was sie je kreiert hatte, selbst Junes Hochzeitshut. Er erinnerte mich ein wenig an den Hut des Papstes. Er ist sehr hoch, er scheint endlos in die Luft zu ragen. Aber er ist runder als der Papsthut. Ich hatte eigentlich Blau erwartet, aber nein, sie machte ihn in Gold und Braun. Ich glaube, er sollte wie ein altmodischer Bienenkorb aussehen. Ich trage ihn nur zu den Treffen der Töchter Mariens, denn auf offener Straße würde er den Verkehr für mehrere Stunden lahm legen.
    Clayton kommt jede Woche vorbei und berichtet uns, wie er die Dinge für Rosaleen und mich in Sylvan regelt. Er sagt, man kann nicht jemanden im Gefängnis zusammenschlagen und erwarten, dass man damit durchkommt. Und außerdem, sagt er, werden ohnehin alle Klagepunkte gegen mich und Rosaleen an Thanksgiving fallen gelassen.
    Manchmal bringt Clayton seine Tochter Bekka mit. Sie ist ein Jahr jünger als ich. Aber ich sehe sie immer vor mir als das kleine Mädchen auf dem Foto in seinem Büro, das seine Hand hält und über die Welle springt. Ich bewahre die Sachen meiner Mutter auf einem besonderen Regal in meinem Zimmer auf, und Bekka darf sie ansehen, aber nicht anfassen. Eines Tages werde ich sie auch alles anfassen lassen, denn scheinbar machen Freundinnen so etwas. Das Gefühl, dass es heilige Gegenstände sind, verliert sich allmählich. Bald schon werde ich Bekka die Bürste meiner Mutter geben und sagen: »Hier, möchtest du dir damit die Haare bürsten?« »Möchtest du einmal diese Wal-Brosche tragen?«
    Bekka und ich warten immer in der Schulkantine auf Zach und setzen uns bei jeder Gelegenheit zu ihm. Wir gelten als »Niggerflittchen«, und wenn die Ignoranten ihre Notizblätter zusammenknüllen und Zach damit bewerfen, wenn er durch die Gänge geht, dann haben Bekka und ich genauso große Chancen, am Kopf getroffen zu werden, wie er. Zach sagt immer, wir sollten lieber auf die andere Seite gehen, wir sollten Abstand zu ihm halten. Und wir sagen dann nur: »Oh, zerknülltes Papier - wahnsinnig gefährlich.«
    Auf dem Foto an meinem Bett lächelt meine Mutter mich unentwegt an. Ich glaube, ich habe uns beiden inzwischen vergeben, obwohl, manchmal bei Nacht bringen mir meine Träume die Traurigkeit zurück, und dann muss ich aufwachen und uns von Neuem vergeben.
    Ich sitze in meinem eigenen Zimmer und schreibe alles nieder. Mein Herz hört nie auf zu sprechen. Ich bin jetzt die Hüterin der Mauer. Ich sorge dafür, dass sie genügend Fürbitten und neue Steine erhält. Ich wäre nicht überrascht, wenn Mays Klagemauer uns alle überleben würde. Am Ende aller Zeiten, wenn alle Bauwerke dieser Welt schon zusammengestürzt sind, wird sie noch stehen.
    Die schwarze Maria besuche ich jeden Tag. Sie sieht mich mit ihrem weisen Gesicht an, das so alt ist wie die Welt und auf eine schöne Weise hässlich. Es scheint, als ob jedes Mal, wenn ich sie sehe, die Risse in ihrer hölzernen Haut tiefer wären. Ich werde nie müde, mir anzuschauen, wie ihr kräftiger Arm in die Höhe ragt, ihre Faust eine mächtige Knospe, kurz vor dem Aufbrechen. Sie ist die geballte Kraft der Liebe, meine Maria.
    Es ist der Herbst der Wunder, aber dennoch denke ich jeden Tag, jeden einzelnen Tag an diesen sengenden Nachmittag im August zurück, an dem T. Ray wegfuhr. Dann erlebe ich den Augenblick noch einmal - ich stehe in der Auffahrt, Steinchen und Dreckklumpen zu meinen Füßen, und blicke zurück zur Veranda. Und da sind sie. Alle diese Mütter. Ich habe mehr Mütter als jedes andere Mädchen auf der Welt. Sie sind meine Monde, die über mich wachen.

NACHWEISE:
    Mit großer Dankbarkeit möchte ich auf die folgenden Quellen verweisen, die mir nicht nur unabdingbare Kenntnisse über Bienen, Bienenzucht und die Herstellung von Honig vermittelt haben, sondern aus denen auch die einleitenden Zitate stammen, die den einzelnen Kapiteln vorangehen.
     
    Folgende Quellen wurden herangezogen:
     
    Kapitel 1 - L. H. Newman: Man and Insects
    Kapitel 2 - William Longgood: The Queen Must
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