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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
Autoren: Sue Monk Kidd
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ohne das Gesicht zu verlieren, und Augusta baute ihm eine Brücke.
    Mein Herz schlug wie wild. Ich beobachtete ihn. Er sah mich einmal noch an, dann ließ er die Schultern sacken.
    »Bin ja froh, dich los zu sein«, sagte er und ging zur Tür. Wir mussten unsere kleine Verteidigungsmauer öffnen, um ihn durchzulassen.
    Als er die Vordertür aufriss, knallte sie gegen die Wand, dann ging er hinaus. Wir sahen einander an und sagten kein Wort. Wir schienen die ganze Luft im Zimmer eingesogen zu haben und hielten sie in unseren Lungen, wir warteten, bis wir ganz sicher sein konnten, ehe wir sie wieder hinaus ließen.
    Ich hörte, wie er den Laster kuppelte, und ehe mich mein Verstand zurückhalten konnte, rannte ich schon los, raste die Auffahrt hinter ihm her.
    Rosaleen rief mir nach, aber ich hatte keine Zeit für Erklärungen.
    Der Laster fuhr schon rückwärts aus der Auffahrt und wirbelte Dreck auf. Ich wedelte mit den Armen. »Halt, halt!«
    Er bremste, dann blickte er mich durch die Windschutzscheibe an. Hinter mir waren Augusta, Rosaleen und die Töchter auf die Veranda geeilt. Ich ging zur Fahrertür vom Laster, er steckte den Kopf aus dem Fenster.
    »Ich muss dich noch was fragen«, sagte ich.
    »Was?«
    »Der Tag, an dem meine Mutter starb - du hast gesagt, ich hab die Waffe aufgehoben, und dann ist sie losgegangen.« Ich sah ihm fest in die Augen. »Ich muss es wissen«, sagte ich. »Habe ich es getan?«
    Die Farben im Garten wechselten mit dem Spiel der Wolken, sie wandelten sich von Gelb zu Lindgrün. Er fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht, sah auf seinen Schoß, dann wandte er seine Augen wieder mir zu.
    Als er sprach, war alle Härte aus seiner Stimme gewichen. »Ich könnte dir sagen, dass ich es war. Das willst du doch hören. Ich könnt’ dir auch sagen, sie hat es selbst getan, aber das wäre gelogen. Du warst es, Lily, du hast es getan. Du hast es nicht gewollt, aber du warst es.«
    Er sah mich noch einen Moment lang an, dann rollte er aus der Auffahrt und ließ mich mit dem Geruch von Motoröl allein. Die Bienen waren überall, sie schwirrten in den Hortensien und der Myrte, die über dem Rasen hing, im Jasmin am Gartenzaun, in der Zitronenmelisse, die am Zaun wuchs. Vielleicht hatte er ja wirklich die Wahrheit gesagt, bei T. Ray konnte man nie hundert Prozent sicher sein.
    Er fuhr langsam zurück, er jagte nicht auf die Straße, wie ich erwartet hatte. Ich sah ihm nach, bis er aus meinem Blickfeld verschwunden war, dann drehte ich mich um und sah Augusta und Rosaleen und die Töchter, die auf der Veranda standen. Dies ist der Moment, an den ich mich am allerdeutlichsten erinnere - wie ich in der Auffahrt stand und zu ihnen hinsah. Wie sie dort alle standen und warteten. All diese Frauen - all diese Liebe - warteten auf mich.
    Ich sah ein letztes Mal hinunter auf den Highway. Ich erinnere mich, dass ich dachte, vermutlich liebte er mich sogar ein wenig, zumindest auf seine Weise. Er hatte mich ja schließlich an Augusta abgetreten, das hatte er doch, oder?
    Ich sage mir bis heute, dass er an dem Tag, an dem er davonfuhr, nicht »Bin ja froh, dich los zu sein« gesagt hatte. Er hatte gesagt: Oh, Lily, dir geht es doch viel besser hier in diesem Haus mit all diesen farbigen Frauen. Bei mir würdest du niemals so aufblühen.
    Ich weiß, es ist ein aberwitziger Gedanke, aber manchmal stelle ich mir vor, wie ein Paket von ihm zu Weihnachten kommt, aber nicht die übliche Pullover-Socken-Schlafanzug-Nummer, nein, in dem Paket wird etwas sein, bei dem er sich wirklich Gedanken gemacht hat, wie ein Armband aus echtem Gold mit Anhängern, und auf seiner Karte steht: »In Liebe, T. Ray.« Er würde das Wort »Liebe« gebrauchen, und dennoch würde die Welt nicht aufhören, sich zu drehen, sondern alles würde weiter seinen Gang gehen, der Fluss, die Bienen, einfach alles.
    Im Herbst verwandelte sich die Farbigkeit South Carolinas in Rubinrot und alle Orange-Töne dieser Welt. Ich genieße die Farben jetzt von meinem eigenen Zimmer aus, hier oben im ersten Stock, dem Zimmer, das June geräumt hat, nachdem sie letzten Monat geheiratet hat. So ein Zimmer hätte ich mir nicht einmal im Traum vorstellen können. Augusta hatte mir ein neues Bett und eine weiße Frisierkommode gekauft, aus der Serie »Französische Provence« aus dem elegantesten Möbelkatalog in den ganzen Vereinigten Staaten. Violet und Queenie hatten einen geblümten Teppich gestiftet, der in ihrem Abstellraum herumgelegen hatte und sonst
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