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Die bezaubernde Arabella

Die bezaubernde Arabella

Titel: Die bezaubernde Arabella
Autoren: Georgette Heyer
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Geschmack habe, und es spricht für ihn, daß er es auch nicht von mir verlangt. Er mag verteufelt steif und voll altmodischer Ideen sein, aber er hat Herz und plagt einen nicht mit Humbug.«
    »Ja, ja«, erwiderte Arabella ungeduldig, »aber erzähle uns lieber, ob er schon von diesem Brief weiß! Wird er mir erlauben zu fahren?«
    »Na, besonders begeistert ist er wohl nicht, aber er sagt, daß er dir nicht im Weg stehen möchte; und er will sich darauf verlassen, daß du dich in Gesellschaft geziemend benimmst, dir nicht den Kopf verdrehen läßt und nicht frivoler Weltlichkeit verfällst. Was das betrifft«, fügte Bertram mit brüderlicher Offenheit hinzu, »so glaube ich kaum, daß du inmitten all dieser Edelfräulein sehr auffallen wirst. Es besteht also wenig Gefahr, daß dir etwas zustößt.«
    »Gewiß wird mir niemand den Kopf verdrehen«, sagte Arabella. »Aber erzähle doch – was hat Lady Bridlington geschrieben?«
    »Weiß ich nicht. Ich saß da eben über einem altgriechischen Gefasel und versuchte Sinn hineinzubringen, da kam Mama ins Zimmer, und ich habe zuerst nur mit halbem Ohr zugehört. Sie wird dir gewiß alles sagen. Eigentlich hat sie mich nur hierher geschickt, um dir zu bestellen, daß du in ihr Ankleidezimmer kommen sollst.«
    »Du lieber Himmel, und das konntest du nicht früher sagen?« rief Arabella, stopfte ihr halbfertiges Hemd in den Arbeitskorb und floh aus dem Zimmer.
    Das Pfarrhaus hatte zwar nur zwei Stockwerke, war aber ein geräumiges, altmodisches Gebäude; um zu Mrs. Tallants Ankleidezimmer zu gelangen, mußte Arabella mehrere Gänge überqueren, die alle mit abgetretenen Läufern belegt und ausnahmslos sehr zugig waren.
    Heythram war eine ansehnliche Pfarre, die ihre dreihundert Pfund im Jahr einbrachte; der derzeitige Inhaber konnte zu diesem Betrag noch eine kleine Rente hinzufügen; doch machten die Ansprüche einer vielköpfigen Familie die Erneuerung des Bodenbelags zu einer Aufwendung, von der man höchstens träumen konnte. Der Vikar, Sohn eines nicht unbegüterten Gentleman, hatte seinerzeit die schöne Miss Theale geheiratet, von der man erwarten durfte, daß sie höher hinaus wollte und sich nicht mit einem jüngeren Sohn – so hübsch dieser auch sein mochte – zufriedengeben würde. Zur Zeit, da diese Heirat gegen den Willen ihrer Familie zustandekam, wurde allgemein gesagt, daß sie gut und gern einen Baronet hätte erwischen können. Statt dessen hatte sie sich auf den ersten Blick in Henry Tallant verliebt. Da er von guter Familie und ihre Eltern noch für andere Töchter zu sorgen hatten, war man schließlich auf ihren Willen eingegangen; und von dem gelegentlichen Wunsch abgesehen, daß die Pfarre höher dotiert wäre und daß Henry nicht gleich in die Tasche griffe, sobald ihm ein Bettler in den Weg lief, hatte sie nie Grund gehabt, ihre Wahl zu bereuen. Gewiß hätte sie gern im Pfarrhaus eines der neuen Wasserklosetts oder einen Patentküchenherd gesehen, hätte auch gern, wie ihr Schwager in der »Hall«, in allen Räumen Wachskerzen gebrannt, ohne dabei Herzklopfen zu bekommen; doch war sie eine vernünftige Frau, und wenn auch das offene Feuer in der Küche rußte, wenn auch bei schlechtem Wetter der Weg zur einzig vorhandenen Toilette mit Wasserspülung nicht gerade angenehm war, blieb sie sich doch stets der Tatsache bewußt, daß sie mit ihrem Henry um ein gut Teil glücklicher geworden war, als sie es wohl je mit dem fast vergessenen Baronet geworden wäre. Auch sie war der Ansicht ihres Gatten, daß auf jeden Fall die Söhne – was immer aus den Töchtern werden mochte – die Vorteile einer guten Ausbildung genießen mußten; trotzdem hatte sie, während im Hause alle Sparkunststücke geübt wurden, um James und Bertram in Harrow ein anständiges Leben zu sichern, ihren stillen Ehrgeiz auf die Zukunft ihrer ältesten und schönsten Tochter gerichtet. Sie bedauerte nicht gerade, daß es ihr selbst versagt geblieben war, über York und Scarborough hinaus zu glänzen, war aber doch entschlossen, ihre Arabella nicht in eine solche Enge zu zwängen. Vielleicht hatte diese Hoffnung bereits eine Rolle in ihren Gedanken gespielt, als sie ihre Schulfreundin Arabella Haverhill, die eine so glänzende Ehe geschlossen, bat, die Patenschaft zu übernehmen. So war der Wunsch, die junge Arabella unter der Ägide Lady Bridlingtons ihr Debüt in der Gesellschaft nehmen zu lassen, keineswegs neuesten Datums. All die Jahre hindurch war eine zwar nicht häufige,
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