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Die Beute

Die Beute

Titel: Die Beute
Autoren: Lisa J. Smith
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anmutig wie der eines schwarzen Schwans, lag gekrümmt auf Jennys Arm.
    »Dee!«
    »Ich werde ihm schon zeigen, was Spielkunst ist«, keuchte Dee schließlich. Sie öffnete die Augen zu schmalen honigfarbenen Schlitzen, und hatte immer noch Mühe zu atmen. »Ich werde ihm seine Spielkunst in die …«
    »Er ist weg«, unterbrach Zach sie. »Und wir stecken in ziemlichen Schwierigkeiten, also würde ich meinen Atem lieber nicht verschwenden.«

    Für einen kurzen Moment war Jenny so froh, Dee unverletzt zu sehen, dass ihr alles andere egal war. Doch dann schaute sie auf und verstand, was Zach meinte.
    Sie waren in einem Ring aus Feuer gefangen.
    Er nahm fast den ganzen Raum der Cafeteria ein – Jenny konnte nur erahnen, dass die Wände der Cafeteria noch außerhalb des Feuerrings lagen. Es war unmöglich hindurchzusehen. Er war so hoch wie die Cafeteria-Decke und er war heiß.
    Und laut.
    Unfassbar laut. Da erst bemerkte Jenny, dass sie und die anderen geschrien hatten, um sich Gehör zu verschaffen. Das Feuer gab ein unglaubliches, endloses Brüllen von sich. Wie das Donnern der Niagarafälle oder wie ein Hurrikan.
    Wie unheimlich, dachte Jenny und war zugleich erstaunlich gelassen. Ich schätze, bei einem extremen Ausbruch klingen alle Elemente gleich – Feuer klingt wie Wasser klingt wie Wind. Das werde ich mir merken.
    Doch da war noch etwas anderes an dem Geräusch. Etwas Todbringendes.
    Wenn man genau hinhörte, wusste man, dass es absolut tödlich war. Die Stimme der Zerstörung.
    »Ich nehme an, das ist der Grund, warum Menschen aus Fenstern springen, selbst aus dem zwanzigsten Stock oder so«, sagte sie beinahe verträumt zu Tom. »Aus einem brennenden Gebäude, meine ich.«

    Er warf ihr einen scharfen Blick zu, dann hob er sie hoch und trug sie zu einem der Cafeteria-Tische. »Du legst dich besser hin.«
    »Mir geht es gut …«
    »Jenny, leg dich hin, bevor du ohnmächtig wirst.«
    Plötzlich merkte Jenny, dass es besser war, seinen Rat zu befolgen. Sie zitterte heftig am ganzen Körper, winzige Beben schienen tief aus ihrem Inneren zu kommen. Ihre Finger und Lippen waren taub.
    »Sie steht unter Schock«, sagte Audrey, als Jenny von Tom auf den Tisch gebettet wurde. »Kein Wunder nach allem, was passiert ist. Jenny, mach einfach die Augen zu. Versuch, dich zu entspannen.«
    Jenny schloss gehorsam die Augen – und konnte das Feuer noch genauso deutlich sehen wie zuvor. Ihr wurde schwindelig. Sie konnte die anderen sprechen hören, aber ihre Stimmen klangen wie aus weiter Ferne.
    »… wird nicht lange halten bei dieser Hitze«, rief Tom.
    »Ja – aber was können wir sonst tun?« Das war Zach.
    »Wir werden geröstet .« Und das war Michael. »Könnten noch etwas Minzsoße gebrauchen.«
    »Halt den Mund oder ich werde dich eigenhändig erwürgen, Mikey«, brüllte Dee.
    Ich kann nicht zulassen, dass sie geröstet werden, dachte Jenny. Ihre Gedanken schienen vage im Raum zu schweben, an äußerst dünnen Fäden zu hängen. Sie
befand sich in einem Zustand wie kurz vor dem Einschlafen, wenn einem Unsinn vollkommen vernünftig vorkommt und Worte und Bilder wie aus dem Nichts auftauchen.
    Plötzlich zog ihr Leben an ihr vorüber – zumindest die Wochen seit dem zweiundzwanzigsten April –, besser gesagt Teile davon. Zusammenhanglose, verworrene Bilder, ein jedes so scharf wie ein guter selbst gedrehter Videoclip.
    Julian, schön wie ein Dezembermorgen, mit Augen wie flüssiges Kobalt, sein Haar nass. »Ich mogle nie. Ich pflege die Spielkunst …«
    Aba, ihr altes Gesicht mit den feinen Knochen unter der samtig nachtschwarzen Haut. »Gestern Nacht habe ich von einer Hausa-Geschichte geträumt …«
    Und Michael, der liebe Mikey, das Haar wild zerrauft, die dunklen Augen leuchtend vor Begeisterung. »Dein Gehirn ist ein System, das die Realität gestaltet. Es nimmt den Input, den es über deine Sinneswahrnehmung bekommt, und konstruiert daraus das plausibelste Modell …«
    Und Zach, sein schmales Gesicht mit der markanten Nase, ein wildes Glänzen in den grauen Augen. »Ein Bild von einer Pfeife ist keine Pfeife.«
    Während Jenny am Rande ihres Bewusstseins trieb, die Ohren erfüllt vom Lärm des Feuers, schienen alle Bilder zu verschmelzen, zu überlappen. Als sprächen sie alle gleichzeitig, Aba, Michael und Zach.

    »Ohne ein weiteres Wort sprang das Mädchen
in den Fluss aus Feuer …«
»Berührung ist auch nur ein weiterer Sinn.
Man könnte ihn ebenfalls täuschen …«
»Das Bild
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