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Die Betrogenen

Die Betrogenen

Titel: Die Betrogenen
Autoren: Michael Maar
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abendlichen Abstecher ins Casino.
    Die Preisverleihung fand in der Festhalle statt, die Karl, weil er den Bus verpaßt hatte, zu Fuß erreichen wollte. Obwohl er drei Einheimische nach dem Weg fragte, kam er, weil ihn jeder in eine andere Richtung wies, auf spiralförmiger Bahn fast zu spät. Beim Durchwandern des häßlichen Städtchens fiel ihm die auffällige Dichte von Erotikshops und Schnellreinigungen auf, ob die auf einen inneren Zusammenhang verwies? Neben einem Bestattungsinstitut des unwahrscheinlichen Namens «Schwarz» lag ein von einem Pyramiden-Plakat geschmücktes Reisebüro.
    Er dachte an Noras weichen ägyptischen Bauch. Und plötzlich durchschoß es ihn. Das war es, was er daheim in Berlin anpacken würde. Das kleine Reisebüro am Cosima-Platz würde ihm günstige Flüge nach Washington heraussuchen; die Kollegin in der Galerie könnte ihm den Kontakt vermitteln. Ein Vorwand würde ihm schon einfallen, ein Treffen mit einer amerikanischen Agentin, mit dem er einen Kurzbesuch bei Nora hätte verbinden können.Es war unwahrscheinlich, daß sie nicht inzwischen liiert war, da machte Karl sich nichts vor; aber versucht wollte er es wenigstens haben. Karl mußte raus aus dem Aquarium, da sah man ja schon, wie sich grünlich die Algen zusammensuppten und der Sauerstoff knapp wurde – entschieden mußten da ein bißchen Leben und Frischluft her.
    Als er in der hintersten Reihe neben Bittner Platz genommen hatte, stand Manteuffel schon mit der Urkunde vor dem Stehpult und begann gerade mit der Dankesrede. Mit seiner zerfurchten Gesichtshaut glich er inzwischen einem kaukasischen Bauern, der auf dem Etikett eines Wundertonikums prangt; nur die Wangen waren weniger apfelrot.
    Wie Karl erst im nachhinein auffiel, hatte Manteuffel es geschafft, sich um das D-Wort herumzuwinden; eigentlich bedankt hatte er sich am Ende jedenfalls nicht. Statt dessen war er über Umwege auf eine Fabel von Aesop gekommen; die Nutzanwendung wurde Karl nicht recht klar. Da legte man gutherzig die steifgefrorene Schlange vors Kaminfeuer, nur damit sie dann erwachte und ihren Retter stach. Karl hatte das unbehagliche Gefühl, daß Manteuffel ihn dabei fixierte.
Keine Metaphysik!
    Von Bittner war nichts zu befürchten, wenn es zur Begegnung mit Manteuffel kam – Karl hatte ihn nie auch nur die Stimme erheben hören, es sei denn bei einer Rezitation. Und Manteuffel war im persönlichen Umgang scheuer, als seine Pamphlete es hätten vermuten lassen, ja mied sogar, wie alle Schüchternen, den direkten Blick. Es konnte ein ganzer Abend verstreichen, ohne daß er Karl ein einziges Mal angesehen hatte. Mit etwas Glück würde es am Ende glimpflich abgehen, wenn die beiden aufeinandertrafen, was wohl kaum zu vermeiden war und denn auch nicht lange auf sich warten ließ.
    Karl stand mit Bittner und Cornelius im nebenan gelegenen Empfangsraum, wo Häppchen gereicht wurden, als Manteuffel die Photographen hinter sich ließ und zu ihnen trat. Er grüßte mit einem Kopfnicken in die Runde und erkundigte sich ohne weitere Präliminarien nach Bittners Gesundheit. Ihm sei dies und das zu Ohren gekommen, es liege doch nichts Ernstes vor?
    Karl war überrascht, wie offen Bittner antwortete. Das wußte ja noch nicht einmal er! Er hatte allerdings auch nie ausdrücklich gefragt.
    Wie Bittner dem stirnrunzelnden Manteuffel berichtete, hatte er einen Herzinfarkt hinter sich und das erfahren,was in der Literatur eindrucksvoll als Vernichtungsgefühl bezeichnet werde. Das war in Italien, fast wäre er dabei über den Jordan gegangen. Sein Kardiologe daheim habe ihm dann auf dem Bildschirm die verstopften Herzkanäle gezeigt. Da habe er, von einem Tag auf den andern, mit einem einzigen blutigen Ruck die Ketten der Sucht von sich gerissen und mit dem Rauchen aufgehört. Seitdem habe er keinen glücklichen Tag mehr gehabt.
    Richtig, Karl hatte ihn noch gar nicht rauchen gesehen!
    Oh ja, sagte Manteuffel, davon konnte auch er ein Lied singen. Einmal hatte er es versucht und für drei Monate auf die Zigaretten verzichtet. Aber in diesen drei Monaten hatte er keine Zeile geschrieben. Worauf er wieder angefangen habe; er sei ja nicht narrisch. Ob das denn bei Bittner klappe, so ganz ohne Nikotin?
    Wer wollte, konnte daraus die erste kleine Malice heraushören, denn wie Manteuffel sehr wohl wissen konnte, war Bittners Produktion in jüngster Zeit alles andere als sprudelnd. Als ob es die Manteuffels wäre!
    Doch Bittner war unempfindlich, ja wieder von
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