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Die Bestimmung - Letzte Entscheidung: Band 3 (German Edition)

Die Bestimmung - Letzte Entscheidung: Band 3 (German Edition)

Titel: Die Bestimmung - Letzte Entscheidung: Band 3 (German Edition)
Autoren: Veronica Roth
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auf der Welt sind. Vielleicht, lautete die knappe Antwort. Ich glaube, sie wollte sich darüber keine Gedanken machen. Aber hier oben auf dem Dach ist es leicht vorstellbar, dass wir die letzten Menschen überhaupt sind.
    Mein Blick schweift über die Gebäude, die entlang des Sumpfufers stehen, und meine Brust wird eng.
    Zeke läuft über das Dach zu dem Metallseil und befestigt eine Sitzschlaufe an dem Stahlkabel. Er sichert sie, damit sie nicht wegrutscht, und sieht uns erwartungsvoll an.
    » Christina « , sagt er. » Du hast den Vortritt. «
    Christina steht neben der Schlinge und tippt sich mit einem Finger ans Kinn.
    » Was denkt ihr? Mit dem Gesicht nach oben oder rückwärts? «
    » Rückwärts « , sagt Matthew. » Ich will mit dem Gesicht nach oben, damit ich mir nicht in die Hosen mache, und ich möchte nicht, dass du mich kopierst. «
    » Wenn du mit dem Gesicht nach oben in die Tiefe saust, dann passiert das erst recht, weißt du? « , sagt Christina. » Aber nur zu, dann kann ich dich einen Hosenscheißer nennen. «
    Christina steigt mit den Füßen zuerst und mit dem Bauch nach unten in die Schlinge, so kann sie beobachten, wie das Gebäude immer kleiner wird, während sie in die Tiefe saust. Mich überläuft ein kalter Schauder.
    Ich kann nicht hinsehen. Ich mache die Augen zu, während Christina am Seil nach unten rast, und dann auch bei Matthew und Shauna. Ich höre ihre Freudenschreie wie Vogelrufe im Wind.
    » Du bist dran, Four « , sagt Zeke.
    Ich schüttele den Kopf.
    » Komm schon « , sagt Cara. » Bringen wir es einfach hinter uns, okay? «
    » Nein « , sage ich. » Geh du. Bitte. «
    Sie reicht mir die Urne und holt tief Luft. Ich halte die Urne an meinen Bauch gedrückt. Das Metall ist warm, weil so viele Leute es berührt haben. Cara klettert ungeschickt in die Sitzschlaufe und Zeke bindet sie fest. Sie verschränkt die Arme vor der Brust und er schickt sie nach unten über den Lake Shore Drive und die Stadt. Sie gibt keinen Laut von sich, nicht einmal ein Keuchen.
    Dann sind nur noch Zeke und ich übrig.
    » Ich kann das nicht « , sage ich. Meine Stimme ist fest, aber dafür zittere ich am ganzen Körper.
    » Natürlich kannst du « , sagt er. » Du bist Four, die Ferox-Legende! Du kannst dich allem stellen. «
    Ich verschränke die Arme und gehe Zentimeter für Zentimeter näher an den Rand des Daches. Obwohl ich noch mehrere Schritte entfernt bin, bilde ich mir ein, bereits über die Kante zu kippen, und ich schüttle den Kopf, immer wieder und wieder.
    » Hey. « Zeke packt mich an der Schulter. » Hier geht es nicht um dich, hörst du? Es geht um sie. Darum, etwas zu tun, das sie gern getan hätte, etwas, bei dem sie stolz auf dich gewesen wäre. Okay? «
    Das ist es. Ich kann nicht kneifen, ich kann jetzt keinen Rückzieher machen, nicht, wenn ich mich immer noch an ihr Lächeln erinnere, als sie mit mir das Riesenrad hinaufgestiegen ist, oder an ihre zusammengebissenen Zähne, als sie sich in den Simulationen nacheinander ihren Ängsten gestellt hat.
    » Wie ist sie eingestiegen? «
    » Mit dem Gesicht voraus « , sagt Zeke.
    » In Ordnung. « Ich reiche ihm die Urne. » Stell sie hinter mich, okay? Und mach sie oben auf. «
    Ich steige in die Schlaufe und meine Hände zittern so sehr, dass sie in den Schlingen an den Seiten kaum Halt finden. Zeke zurrt die Riemen über meinen Beinen und meinem Rücken fest, dann klemmt er die Urne hinter mich, mit der Öffnung zur Seite, damit sich die Asche in alle Windrichtungen verteilen kann. Ich starre hinunter auf den Lake Shore Drive und schlucke bittere Galle, dann gleite ich am Drahtseil auf die Dachkante zu. Ich brülle so laut, dass ich mir am liebsten die Ohren zuhalten würde. Ich spüre den Schrei in mir beben, fühle, wie er meine Brust, meine Kehle, meinen Kopf ausfüllt.
    Der Wind brennt mir in den Augen, aber ich reiße sie weit auf – und in einem Moment blinder Panik verstehe ich, warum sie mit dem Gesicht voraus in die Tiefe schießen wollte. Es gab ihr das Gefühl, wie ein Vogel durch die Luft zu gleiten.
    Ich kann den Abgrund unter mir spüren und er fühlt sich an wie der Abgrund in meinem Inneren, wie ein aufgerissener Schlund, der mich jede Sekunde verschlucken wird.
    Im selben Moment begreife ich, dass die rasante Fahrt bald zu Ende ist. Die letzten Ascheflocken treiben im Wind wie graue Schneeflocken, bevor sie sich auflösen.
    Der Boden ist nicht mehr weit weg, langsam wird es Zeit zum Abspringen. Die anderen
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