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Die beste Lage: Roman (German Edition)

Die beste Lage: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Lage: Roman (German Edition)
Autoren: Gaetano Cappelli
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sich an einer Ecke der Carnaby Street oder zumindest in einem jener kleinen griechischen oder spanischen Nester, in denen sich der Hippiepöbel herumtreibt. Was ihm keineswegs seltsam vorkam, denn hiermit sah er nur zum x-ten Mal seine anthropologischen Erkenntnisse bestätigt.
    Wie er, ausgehend von den Untersuchungen zur Prägung , die Konrad Lorenz an den Graugänsen durchgeführt hatte, in Die Gänse auf dem Markt in aller Ausführlichkeit nachgewiesen hatte, gab es in der Basilikata tatsächlich ganze Dörfer, deren Lebensweise von »natürlichen« Meinungsführern wie pensionierten Managern, einfachen Remigranten oder Auswärtsstudierenden in eine bestimmte Richtung gelenkt wurde, und zwar weil dort, wo die von außen kommenden Stimuli irrelevant sind – und wo könnten sie irrelevanter sein als in einem entlegenen lukanischen Nest? –, oftmals eine »einprägsame Botschaft« genügt, um die soziokulturelle Geschichte eines ganzen Kaffs in die eine oder andere Richtung zu treiben.
    Zwei Gänse auf dem Markt
    Dafür ein negatives Beispiel.
    Auf der ionischen Seite der Region gab es, und gibt es immer noch, ein Dorf, das sich im Laufe der Jahre in ein von Gewaltbereitschaft geprägtes Nest von Drogenabhängigen verwandelt hat, nachdem der »Rudelführer« aus Bologna, wo er am berühmten DAMS Kunst studierte, skrupellos Heroin und die Gewohnheit, mit selbigem zu dealen, in seine Heimat importiert hatte.
    Und ein positives Beispiel.
    Wenn die Küste von Maratea heute, wie jemand schrieb, »einer-der-zehn-na-ja-dreißig-schönsten-Orte-der-Welt« ist, geht das zum großen Teil auf das Konto des Grafen und Industriellen Stefano Rivetti di Val Cervo, der, nachdem er dort eine Fabrik gegründet hatte, in den Sechzigerjahren daranging, mit den damals angesagtesten Architekten Häuser und Plätze zu sanieren und Hunderte von Koniferen und Tausende von karmesinroten, violetten und orangefarbenen Bougainvilleen zu pflanzen, und damit einer besonderen ästhetischen Sensibilität Bahn brach, die, im Gegensatz zu seiner inzwischen pleitegegangenen Fabrik, bis heute fortlebt. Wie sonst sollte man sich die Existenz dieser prächtigen Perle – »der Perle am Tyrrhenischen Meer« – mit all ihren bezaubernden Häusern und Häuschen erklären, von denen auch die schlichtesten sorgsam gepflegt werden und das an einer Küste, die sich im absoluten Niedergang befindet, und zudem noch zwischen zwei nicht gerade reizvollen Ortschaften wie Praia und Sapri eingeklemmt ist?
    Alles andere als ein Einheitsbrei also! Trotz der nivellierenden Kraft, die dem Fernsehen im Allgemeinen zugeschrieben wird, teilt sich die Menschheit nach wie vor in Stämme auf. Dies war, kurz zusammengefasst, Riccardo Fuscos bahnbrechende Erkenntnis, die auf die schlichte Feststellung hinauslief: Die Welt ist schön, weil sie so vielfältig ist.
    Bei diesem Gedanken prustete der kühne Erneuerer los.
    Sechs Jahre seines Lebens hatte er aufgewandt, mehrere hundert Stunden lang Interviews transkribiert, Hunderte von Statistiken zusammengestellt und achthundert Seiten vollgeschrieben, nur um einen solchen Schwachsinn zu produzieren! Andererseits war eines nicht zu bestreiten: Wenn sich das liebenswerte Dorf, in dem er sich in diesem Augenblick befand, zum Tummelplatz der Ausgeflippten, Exzentriker, Traumtänzer und Spinner entwickelt hatte – und das, obwohl das Zeitalter der Blumenkinder längst der Vergangenheit angehörte –, war das, auch in diesem Fall, einer einzigen Person zu verdanken, und zwar niemand anderem als Giàcenere.
    Alles kommt wieder
    Als Fusco ihn vor mittlerweile drei Jahren das letzte Mal getroffen hatte, war Giàcenere immer noch in die gleichen Seiden- und Samtstoffe gehüllt wie damals in den Siebzigerjahren, als er sein Leben zwischen seinem Heimatdorf, Ibiza und Kathmandu geteilt hatte. Das war eine Ewigkeit her, obwohl nach allem, was Riccardo aus Zeitung und Fernsehen wusste, zu befürchten stand, dass dieser Stil schon wieder dem letzten Schrei entsprach. Andererseits müssen sich die Designer ja auch ständig etwas ausdenken, um ihre Kreationen unter die Leute zu bringen, und wenn man da ein bisschen Rückschau betreibt, ist das die einzige Erfindung, die bleibt. Eine Untersuchung über die Periodizität solcher Zyklen wäre interessant, schoss es Riccardo durch den Kopf, aber es blieb bei einem flüchtigen Gedanken, denn er hatte nicht die geringste Lust, sich wieder an die Arbeit zu machen. »Alles kommt wieder, und basta «,
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