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Die beste Lage: Roman (German Edition)

Die beste Lage: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Lage: Roman (German Edition)
Autoren: Gaetano Cappelli
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sagte er sich nach einer halben Stunde Aufenthalt auf der Piazza und war seinerseits bereit, einen letzten Versuch zu unternehmen und zu Ceneres Haus hinaufzusteigen.
    Dieses Mal hatte er Glück. Kaum hatte er geklopft, als von drinnen Hektik und silberhelles Gelächter an sein Ohr drangen.
    Das Gelächter stammte von zwei australischen Bohnenstangen, wie unser Ethnologe ein paar Minuten später feststellen durfte, nachdem sich die Tür des Hauses Cenere endlich geöffnet hatte und den Blick auf das grinsende Gesicht des Eigentümers und die beiden Nymphen zu seinen Seiten freigab.
    Der sich erkenntlich zeigende Tote
    »Oho, wen sieht man denn da? Ich dachte schon, du wärst tot«, begrüßte ihn Giàcenere.
    ›Tot sein solltest eher du‹, dachte Fusco für sich, auch wenn er schon nach einer blitzschnellen Musterung das Gefühl hatte, dass Giacinto Cenere so klasse in Form war wie noch nie. Er trug immer noch die langen Haare von früher, doch statt des Rauschebarts hatte er jetzt einen Schnurrbart und ein Spitzbärtchen nach Art der drei Musketiere, und ein raschelndes, safrangelbes Seidenhemd verlieh ihm zusätzliche Eleganz. Im strahlenden Glanz der beiden Schönheiten hätte allerdings jeder Mann so auf Riccardo gewirkt.
    »Eigentlich wollten wir gerade ausgehen … Aber komm rein, ich freu mich ja so, dich wiederzusehen! … Mann, wie viele Jahre ist das jetzt her …«. Und während Giacinto das sagte, wandte er sich den lachenden Sylphiden zu und redete auf Englisch weiter. Nachdem er sie ihm vorgestellt hatte, erklärte er den beiden, dass Riccardo ein alter Freund sei, ein Wissenschaftler … ein bedeutender Intellektueller, setzte er mit einem Nachdruck hinzu, durch den der Spott hindurchblitzte.
    Unterdessen hatten sie das Haus bis zum Wohnzimmer durchquert, das noch genau so war, wie Riccardo es in Erinnerung hatte: violette und orangefarbene Wände, vollgehängt mit afghanischen Teppichen, Thankas und Ceneres Riesengemälden mit ihren esoterischen Motiven. Dieser Raum führte auf die alte Loggia mit Blick über das Tal. Das Holzdach der Loggia ruhte auf zwei Säulen, auf denen es vor tibetischen Gottheiten nur so wimmelte.
    Die fernen Hügel wirkten unter der untergehenden Sonne so transparent wie die Schleier, die um die Körper der australischen Nixen drapiert waren. Verwirrt blickte Riccardo ihnen nach, als sie das Zimmer verließen, weil sein Freund, der sich auf eines der kleinen Sofas mit den abgesägten Beinen hatte fallen lassen, sie angewiesen hatte, Tee zu machen. »Mannomann!«, stieß Riccardo aus. »Wo hast du denn die aufgegabelt?«
    Giàcenere lachte und schaltete, statt ihm zu antworten, seine esoterische Stereoanlage ein – in diesem Haus war alles esoterisch! –, ein handgefertigtes Produkt aus England. Wenige Augenblicke später füllte sich der Raum mit fließenden, dämmrigen und fernen Klängen, so fern wie ihre Jugend: Live/Dead von den Grateful Dead. Wie oft hatten sie es nicht in diesem Zimmer gehört!
    Aber irgendetwas fehlte.
    Gras aus eigenem Anbau
    Unvermittelt drehte sich Giàcenere um und rupfte hinter dem Sofa aus einem Bündel Gras, das er mehr schlecht als recht dort versteckt hatte, ein paar Blätter heraus – er war wirklich der Typ, der sich mit fünfzig noch Joints drehte!
    Und schon sagte er: »Es ist noch ziemlich frisch, aber man braucht es bloß ein bisschen zu rösten.« Dann nahm er ein Stück Stanniolpapier, krümelte ein wenig von dem Zeug hinein, ging ein paarmal mit der Flamme eines Feuerzeugs darunter hin und her und erklärte dann: »… ich habe es gestern Abend geerntet. Seit Jahren habe ich nichts mehr gesät¸ aber die Natur ist wuuunderbar und setzt einfach ihren Lauf fort. Es gibt wohl einen Zentner davon, Gras aus meinem Garten. Du erinnerst dich doch, Riccà?«, fügte er nach dem ersten Zug hinzu, auch wenn Riccardo es allein schon am Geruch wiedererkannt hätte. Einen solchen Gestank vergisst man nicht, diese Mischung aus verbranntem Stroh, Pisse und Petroleum. Aber es wirkte . Verdammt, und wie es wirkte! Das Knistern der Samen erinnerte an ein Feuerwerk, und das ausgewaschene Blau der Berge verwandelte sich plötzlich in eine Art Meer aus weicher Seide. Aus der Küche wehte unterdessen eine Lachsalve herüber. Giàcenere reckte das Kinn in die Richtung und lachte seinerseits los.
    »Sympathisch, was?«
    »Sympathisch? Eine Wucht sind sie, würde ich sagen … Und sie treiben es zu zweit mit dir? Dabei hatte ich geglaubt, du würdest am
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