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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition)
Autoren: Mo Hayder
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durch das Glasdach in den blauen Himmel hinauf. Ja, er betete inständig, dass sein Plan gelingen würde.
    Dann erläuterte der Anklagevertreter dem Gericht detailliert, was auf den neu aufgetauchten Videos zu sehen war, und Lamb erstarrte immer mehr. Sie saß wie ein Eisberg auf ihrer Bank, sah immer wieder die Richterin an und hielt mit ihren zitternden Händen die Bank umklammert. Bethuen machte sich eine Notiz, legte dann den Stift beiseite und blickte in die Runde. »Da die Hauptverhandlung bereits für den dreißigsten September angesetzt ist, gehe ich davon aus, dass alle Beteiligten mit der Situation leben können.« Sie nahm die Brille ab und stützte sich auf die Ellbogen. »Bleibt nur noch die Frage, ob es vertretbar ist, die Angeklagte unter diesen Umständen aus der Untersuchungshaft zu entlassen.«
    Rebecca drückte aufmunternd Cafferys Arm. Er sah sie nicht an. Bitte, lass es funktionieren – bitte …
     
    Die merkwürdig krächzenden Geräusche, die aus dem Wohnwagen drangen, hallten durch den Steinbruch und waren sogar noch in dem Wald und in den Feldern ringsum zu hören. Fünf Kühe, die in der Nähe weideten, hoben kurz die Köpfe. Wie die Schreie eines seltenen Vogels oder eines gequälten Tieres. Ein kleiner gescheckter Hund, der häufig in der Gegend unterwegs war, blieb wie angewurzelt stehen und blickte mit aufgestellten Ohren zu dem Steinbruch hinüber.
    Ewan Caffery wusste nicht, wie lange er schon gefesselt war – dass schon sieben Tage verstrichen waren, seit Tracey ihn im Stich gelassen hatte. Ebenso wenig wusste er, dass er das letzte Wasser aus der Flasche unter dem Waschbecken vor drei Tagen getrunken hatte. Völlig erschöpft gab er es auf, zu schreien, und ließ sich seitlich auf die Liege sinken, so weit seine Fesseln es eben erlaubten. Er zerrte noch ein paar Mal an den Seilen, war aber zu schwach, um sie zu zerreißen. Und so legte er sich geduldig auf die Seite und ließ seinen Blick auf Britney Spears ruhen, die ihm in einem mittelwestlichen Weizenfeld von einem Pick-up aus entgegenlächelte.
    Draußen auf der Wiese senkten die Kühe wieder die Köpfe und wedelten mit den Ohren, um die Insekten zu verscheuchen. Auch der Hund verlor das Interesse. Er saß einfach da und kratzte sich am Kinn.
    »Also gut.« Bethuen setzte die Brille ab und sah Tracey freundlich an. »Und was fangen wir jetzt mit Ihnen an, Miss Lamb?« Sie faltete die Hände und lächelte. »Schwierige Frage. Trotzdem hege ich keinen Zweifel daran, was die kompetentesten Juristen mir raten würden. Diese Damen und Herren Kollegen würden mir nämlich raten, das neu aufgetauchte Beweismaterial sehr ernst zu nehmen.« Sie hielt inne. »Mir bleibt also keine Wahl, als Sie bis zur Hauptverhandlung wieder in Gewahrsam nehmen zu lassen.«
    »Nein!« Lamb sprang auf.
    Doch . Caffery drückte Rebeccas Hand.
    »Die Verhandlung ist beendet.« Bethuen nickte den Wachleuten zu, setzte die Brille wieder auf und schrieb etwas in das Register. Lamb drehte sich um und sah wütend Caffery an. Er betrachtete sie mit einem kühlen Blick, und sie warf sich gegen die Trennscheibe und trommelte wie besessen mit den Fäusten gegen das Glas. »Du dreckiges Schwein!«, brüllte sie und trommelte gegen die Scheibe. »Du mieses Arschloch! Du mieser Wichser!«
    »Miss Lamb!« Bethuen hatte sich erhoben, und die Wachleute eilten bereits herbei.
    »Bitte, Miss Lamb …«
    »Das wirst du mir …«
    »Tracey!« Alvarez schob sich zwischen den Bänken hindurch. »Beruhigen Sie sich doch.«
    »Nein!« Ein Wärter hatte Lamb inzwischen einen Arm auf den Rücken gedreht, doch sie trommelte weiterhin wie besessen mit der anderen Hand gegen die Scheibe. »Das wirst du mir büßen!« Sie drehte sich blitzschnell herum, griff sich ihren Styroporbecher und schleuderte ihn in Cafferys Richtung. »Du verdammter Wichser. Du mieses Arschloch!« Der Becher prallte gegen die Scheibe, und sein Inhalt rann träge an dem Glas herab. Caffery stand auf, nahm Rebeccas Hand und ging mit ihr Richtung Treppe. Dabei wandte er das Gesicht von Lamb ab, damit sie sein Siegerlächeln nicht sehen konnte.
    »So – jetzt wirst du es nie mehr erfahren«, kreischte sie den beiden hinterher. »Nie wirst du was erfahren!«
    Unten am Fuß der Treppe schlossen sie die Tür hinter sich, eilten durch die Eingangshalle und standen kurz darauf im Freien, wo die Anwälte noch immer im strahlenden Sonnenschein ihre Golfschläge übten. Weiter hinten waren die Buchenallee und die
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