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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition)
Autoren: Mo Hayder
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regnete es in Strömen. Der frische Geruch der Erde und der Pflanzen draußen im Garten drang durch das Fenster herein. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Er muss unbedingt etwas unternehmen – so kann es nicht weitergehen .
    »Becky?« Caffery stand in der Tür und sah erschöpfter aus, als sie ihn je gesehen hatte. So erschöpft, dass die Hautpartie um seine Augen fast zu glühen schien – als ob der seelische Druck ihn zu sprengen drohte. »Ist alles in Ordnung?«
    Sie schwieg. Am besten, du bleibst ganz ruhig und sagst nichts .
    »Becky?«
    Sie biss sich auf die Unterlippe und wandte sich ab. Sie war fix und fertig. Sie trat in den Gang hinaus und aktivierte den Anrufbeantworter. Caffery folgte ihr und stand hinter ihr, als in dem kleinen Haus Tracey Lambs Stimme erklang:
    »Also hier spricht Tracey. Hm – also worüber wir gesprochen haben. Ich komm am Montag raus. Wenn Sie also mehr wissen wollen – eh … Ich bin dann gegen eins wieder bei mir zu Hause – Sie wissen ja, wo das ist.«
    Rebecca drehte sich um und sah, dass Jack schneeweiß geworden war. Ja, schneeweiß. In seinen Augen ein Flackern. Er trat einen Schritt vor – und noch bevor sie ihn aufhalten konnte, hatte er den Anrufbeantworter bereits auf den Boden geknallt. Das Gehäuse des Gerätes war geplatzt: Überall Drähte, das rote Licht blinkte, und die Mechanik lief wie besessen vor und zurück. Er schleuderte den Apparat mit dem Fuß gegen die Wand, drehte sich um, ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank, goss sich ein Glas Wein ein und setzte sich an den Tisch.
    Sie ging ihm nach, nahm ihm gegenüber am Tisch Platz und wollte seine Hand nehmen, doch er schob sie beiseite. Er sah sie an: Mein Gott, der Mann sieht ja furchtbar aus . »Du hattest völlig Recht«, sagte er. »Ich meine – mit dem, was du über Bliss gesagt hast.«
    Sie ließ sich auf ihrem Stuhl zurücksinken. »Okay«, sagte sie dann vorsichtig und versuchte, die Ruhe zu bewahren. »Soll das heißen, dass ich mit meiner Vermutung Recht gehabt habe?«
    Er leerte sein Glas in einem Zug, füllte es sofort wieder nach und sah durch das Fenster in den verregneten Garten hinaus. Einen Augenblick schien es so, als ob er ihre Anwesenheit völlig vergessen hätte. Seine Hände zitterten.
    »Jack? Hast du gehört, was ich …?«
    »Ja.«
    »Ja – was ? Soll das heißen, dass du gehört hast, was ich gesagt habe, oder dass ich mit meiner Vermutung richtig liege?«
    »Ja, ich hab ihn umgebracht. Du hast mit deiner Vermutung völlig Recht gehabt. Kann sogar passieren, dass ich demnächst wieder voll ausraste und noch mal jemanden umbringe. Ja, und der Grund ist tatsächlich Ewan.« Er starrte auf seinen Daumennagel. Den schwarzen Daumennagel. Sein Stigma. Seit siebenundzwanzig Jahren hatte sich sein Blut dort eingekapselt. »Ja, du hast völlig Recht.«
    Sie legte sich die Hand auf die Stirn. Sie hatte Kopfweh. »Jack – jetzt hör mir mal zu.« Sie holte tief Luft, beugte sich ein wenig vor und nahm seine Hand, die locker das Glas umschloss. »War eine gute Entscheidung, dass du Danni gebeten hast, dir die Ermittlungen zu entziehen.«
    »Und was ist mit ihr ?« Er wies mit dem Kopf auf den zertrümmerten Anrufbeantworter draußen in der Diele. »Was soll ich bloß mit dieser schrecklichen Frau machen?«
    »Keine Ahnung. Musst du selbst entscheiden.«
    Er entzog ihr die Hand und saß lange schweigend da.
    »Jack?«
    Er schwieg. Er sah im Geist Tracey Lamb vor sich – sah, wie sie mit ihrem Kaninchenlächeln auf dem Rasen vor dem Gerichtsgebäude näher kam und ihm ihre geldgeilen Krallen entgegenstreckte. Und er wusste nur zu gut, dass er sie quälen, sie genauso misshandeln wollte wie erst Stunden zuvor diesen Klare. Nach den Erfahrungen, die er mit Penderecki gemacht hatte, war für ihn das Maß einfach voll. »Dieser Dreck oben im Bad«, sagte er plötzlich und inspizierte erneut seinen Daumennagel. »Wenn ich das Material weiterleite, dann kommt sie am nächsten Montag ganz sicher nicht frei.«
    »Und wem willst du das Zeug geben – etwa Paulina?«
    »Nein, die hat schon genug für mich getan.«
    »Und wem dann?«
    »Am besten, ich schick die Sachen einfach anonym an das Pädo-Dezernat. Dann werden sie diese Lamb ganz sicher so lange in U-Haft behalten, bis ich …«
    »Bis du dich wieder halbwegs gefangen hast?«
    Er nickte.
    »Odysseus«, sagte Rebecca sanft.
    »Was?«
    »Wie Odysseus: Du versuchst dich an den Mast zu fesseln, damit die Sirenen dir nicht gefährlich werden
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