Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Befreier von Canea

Die Befreier von Canea

Titel: Die Befreier von Canea
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
Jagd.«
    »Das wünsche ich dir ebenfalls, Herr.«
    Marcus hatte sich gerade der Tür zugewandt, als sich diese öffnete und ein schlanker und für seine Art kleiner Cane mit rötlichem Fell eintrat. Ohne Vorrede entblößte er die Kehle vor Varg und sagte: »Ein schwerer Sturm zieht auf, Herr. Er wird uns in einer halben Stunde oder früher erreichen.«
    Varg nahm die Nachricht mit einem Knurren zur Kenntnis und entließ den Seemann mit einem Wink des Kopfes. Er blickte Marcus an. »Es bleibt keine Zeit mehr, dich hinüber zu bringen. Das Boot könnte nicht sicher zurückkehren«, sagte er. »Scheinbar wirst du eine Weile bei uns bleiben müssen.«
    »Mein Erzeuger«, knurrte Nasaug. In seiner Stimme schwang eine Warnung mit, dachte Marcus. Der Grund dafür war nicht schwer zu erraten. Marcus behagte die Vorstellung ebenfalls nicht, auf einem Schiff festzusitzen, das sich mit fieberhafter Betriebsamkeit auf einen Sturm vorbereitete, und auf dem gleichzeitig ein junger wütender Offizier gerade eben eine Lektion erteilt bekommen hatte.
    »Die Kabine ganz vorn«, sagte Varg.
    Nasaugs Schwanz zuckte, eine Geste, die Marcus als Ausdruck der Überraschung verstand. Der jüngere Cane überwand seine Fassungslosigkeit jedoch rasch und erhob sich. »Zenturio«, knurrte er, »wenn du mich bitte begleiten würdest. Es wäre besser, sofort zu gehen, damit wir den Seeleuten nicht bei der Arbeit im Wege stehen. Wir bemühen uns, es dir so bequem wie möglich zu machen.«
    Mit leichter Belustigung nahm Marcus zur Kenntnis, dass in diesem Fall »bequem machen« ungefähr das Gleiche bedeutete wie »dein Ableben verhindern«. Aber man lernte ziemlich schnell, dass die Canim die Welt von einem anderen Standpunkt aus betrachteten als die Aleraner.
    Er folgte Nasaug aufs Deck der Treues Blut . Die Planken waren schwarz gestrichen, was auf einem aleranischen Schiff undenkbar gewesen wäre. Im Gegenteil, die Aleraner strichen ihre Schiffe oft weiß an. Das erleichterte es der Mannschaft, nachts zu sehen, was man gerade tat, und zwar besonders bei schlechtem Wetter, wenn es wenige verlässliche Lichtquellen gab. Das schwarze Holz erzeugte eine grimmige Stimmung, als würde man gerade einer Bestattung beiwohnen, und gleichzeitig wirkte es imposant, besonders in Verbindung mit den schwarzen Segeln. Canim konnten allerdings bei Nacht wesentlich besser sehen als Aleraner. Wahrscheinlich war es ihnen deshalb einerlei, in welcher Farbe ihr Schiff gestrichen war.
    Nasaug führte ihn zur vordersten Kabine auf dem Schiff, die allgemein am wenigsten beliebt war. Auf einem Segelschiff blies der Wind in der Regel vom Heck, und wer, was die Windrichtung betraf, am weitesten hinten lag, bekam die ganzen unangenehmen Gerüche an Bord ab, und davon gab es für gewöhnlich viele. Die Tür der Kabine war niedrig, hatte kaum die Höhe von Marcus. Anstatt einfach einzutreten, blieb Nasaug stehen, klopfte und wartete, bis von innen geöffnet wurde.
    Als die Tür aufging, war es dahinter stockfinster, und weder Fenster noch Lampe spendeten einen Lichtschein. Eine Stimme fragte leise: »Können wir zu Diensten sein, Sohn des Varg?«
    »Dieser aleranische Jagdmeister steht unter Vargs Obhut«, sagte Nasaug. »Mein Erzeuger bittet euch, ihn zu beschützen, bis er nach dem Sturm zu seinem Volk zurückkehren kann.«
    »Das wird geschehen«, sagte die Stimme. »Er möge eintreten, Sohn des Varg.«
    Marcus zog eine Augenbraue hoch und blickte Nasaug an.
    Der Cane deutete mit der Schnauze auf die Tür. »Dein Quartier, Zenturio.«
    Marcus sah in den dunklen Eingang, dann erneut zu Nasaug. »Dort werde ich es bequem haben, ja?«
    Nasaugs Ohren zuckten belustigt. »Bequemer als an jedem anderen Ort auf dem Schiff.«
    Zu den wichtigsten Dingen, die Aleraner bislang über den Umgang mit den Canim gelernt hatten, und zwar dank ihres Princeps, gehörte die Tatsache, dass Körpersprache bei ihnen eine deutlich wichtigere Rolle spielte als bei Aleranern. Worte mochten leere Hülsen sein, doch die Gesten und Haltung eines Cane galten als verlässliche und ehrliche Hinweise auf die Absichten. Aus diesem Grund durfte man vor den raubtierhaften Wolfskriegern auf gar keinen Fall äußerliche Anzeichen von Angst zeigen. Nicht, solange man nicht gefressen werden wollte.
    Daher unterdrückte Marcus die instinktive Furcht vor dem unsichtbaren Sprecher, nickte Nasaug in aller Seelenruhe zu, betrat die Kabine und schloss die Tür hinter sich. In der finsteren Kabine wurde ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher