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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin
Autoren: Andreas Franz
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das Telefon mit ins Schlafzimmer, er legte sich aufs Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Schattenlichter der Nacht zeichneten sich an der Decke ab. In seinem Kopf war ein großes schwarzes Loch.
    Das Telefon klingelte um zwei Uhr in dieser Nacht. Es war Esthers sich überschlagende Stimme, die ins Telefon schrie. Er hatte ihren Anruf erwartet.
    »Nicole ist tot«, schrie sie, »meine Mutter ist tot! Sie ist in der Badewanne ertrunken! David, ich habe solche Angst!«
    »Hast du die Polizei schon gerufen?« fragte er.
    »Nein, aber ich werde es gleich tun. Ich habe bis eben geschlafen, und als ich aufs Klo mußte, da …« Sie stockte und weinte.
    »Ruf die Polizei, sie sollen kommen«, sagte David ruhig. »Ich liebe dich, Engel. Ich liebe dich.«
    »Ich dich auch.« Dann legte sie auf.
     
    Der Spuk war zu Ende. Die Spinne hatte eine Menge Opfer erlegt, aber irgendwann war auch ihre Zeit gekommen. David fühlte sich nicht schlecht. Er hatte nicht einmal Angst vor der Polizei, vor ungewöhnlichen Fragen. Sollten sie kommen und ihn mitnehmen. Er fühlte sich erleichtert. Das einzige, was ihn plagte, war die Angst, Esther verloren zu haben. Sie vielleicht nie wiedersehen zu können. Er fürchtete sich nicht vor dem Gefängnis, nicht vor dem Eingesperrtsein, nicht vor der Einsamkeit. Er hatte ohnehin alles verloren. Und auf eine gewisse Weise stimmte sogar, was Nicole gesagt hatte, er hatte es durch seine eigene Schuld verloren. Und auch Mutter hatte recht, wahrscheinlich, daß er nach seinem Vater käme. Er war aber kein Hurenbock, doch Eigenschaften waren in ihm hervorgebrochen, die er bis vor wenigen Monaten nicht einmal im entferntesten in sich vermutet hatte. Vielleicht würden sie ihn besuchen, Johanna und die Kinder, wenn er seine Tage in einer winzigen Zelle eingesperrt zubrachte. Vielleicht auch nicht.
    Er schlief in dieser Nacht nicht. Er dachte nur. An seinen Traum, an die Gesichter, an das schöne Haus, an die Trümmer. Der Traum hatte ihm alles gesagt, und er hatte nicht zugehört. Das kleine Mädchen war Nicole, und jetzt wußte er, woher ihm die Augen bekannt vorkamen. Und was sie in der Hand hielt, war ein Messer. Der kleine Racheengel.

Donnerstag, 8.00 Uhr
    Morgens um acht rief Esther an, deren Stimme sich jetzt ruhiger anhörte.
    »Die Polizei war hier«, sagte sie. »Ein Arzt hat meine Mutter untersucht und gesagt, die Todesursache sei eindeutig Ertrinken gewesen. Wahrscheinlich ist sie in der Wanne eingeschlafen, sie hatte ja vorher reichlich Whisky getrunken. Sie hatte sich auch sehr viel Wasser einlaufen lassen. Sie haben mich gefragt, ob irgend jemand außer mir noch in der Wohnung war, aber ich habe gesagt, nein, meine Mutter war allein. Du warst doch nicht da, oder?«
    »Nein, Liebes, ich war nicht da.«
    »Dachte ich mir schon, du hattest ja auch ziemlich viel getrunken. Obwohl gestern Mittwoch war und du eigentlich hättest kommen sollen. Aber es war gut, daß du nicht da warst. Sie haben keine Fragen weiter gestellt. Sehen wir uns nachher?«
    »Klar, Liebes, wir sehen uns nachher. Ich schätze, wir haben eine Menge Vorbereitungen zu treffen. Zuallererst die Beerdigung, und dann …«
    »Komm bitte bald. Ich möchte nicht gerne allein hier sein.«
    »Kommt die Polizei noch mal?« fragte David.
    »Nein, sie rufen an, wenn sie noch Fragen haben. Aber es ist alles so klar. Bis nachher.«
     
    Als David gegen Mittag bei Esther ankam, öffnete sie ihm mit dem Telefon in der Hand. Sie sagte »ja« und »danke« und legte auf, sobald David eingetreten war. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und küßte ihn. Er preßte sie ganz fest an sich, spürte ihren Herzschlag an seiner Brust.
    »Das war die Polizei. Sie wollten mir nur sagen, daß der Obduktionsbefund morgen vorliegen wird. Die Beerdigungkann für Anfang nächster Woche geplant werden.« Esther löste sich aus Davids Umarmung und setzte sich auf den Wohnzimmertisch.
    »Es war schrecklich, der Anblick. Glaubst du mir das? Nur ihre Haare haben aus dem Wasser geschaut. Ihr Gesicht sah so unnatürlich aus. Ich glaube, ich werde diesen Anblick mein Leben lang nicht vergessen. Hältst du mich für verrückt, wenn ich dir jetzt etwas sage? Ich bin nicht einmal traurig, daß sie nicht mehr lebt. Auf eine gewisse Weise bin ich sogar froh. Sie hat nie einem anderen Menschen etwas Gutes getan. Wenn ich vor irgend jemandem Angst hatte, dann vor ihr. Ihr hätte ich zugetraut, daß sie alles zunichte macht, was wir uns erträumten. Jetzt steht
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