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Die Bank im Park

Die Bank im Park

Titel: Die Bank im Park
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Anrücken sei, doch hatte seitdem den Poeten kein Soldat mehr gesehen, und auch eine ausgesandte Streife durch fast alle Straßen der Stadt konnte ihn nicht entdecken. Alain Chartier schien wie vom Erdboden verschluckt. Ihn im Bois suchen zu lassen, kam dem konsternierten Marquis nicht in den Sinn, denn wer setzt sich im Park auf eine Bank, wenn er im Schloß erwartet wird?
    Besorgt, die Gruppe der Verschwörer könnte sich Chartiers bemächtigt haben, um seinen Einfluß auf die Dauphine auszuschalten, ließ der Kommandant der Garde den seltenen Fall, daß ein ins Schloß eingeladener Mensch verschwunden war, dem Dauphin melden. Dieser wiederum suchte das Boudoir seiner Gemahlin auf, um ihr die Nachricht, die als kleine Hiobsbotschaft anzusehen war, schonend zu überbringen. Doch die Dauphine erschrak nicht, sondern über ihre Züge glitt ein unbesorgtes Lächeln.
    »Mein Lieber«, sagte sie, »Dichter lassen sich nicht mit allgemeinen Maßstäben messen. Wer Gott so nahe steht, hat der nicht ein angestammtes Recht, allein dem Rhythmus seiner Kunst zu leben? Du hast ihn eingeladen, um mich zu erfreuen – er wird auch kommen, doch ob das um neun oder um elf erfolgt, das weiß im Moment vielleicht noch nicht einmal er selber. Es kommt darauf an, wohin ihn der Drang der Seele gerade treibt.«
    Der Dauphin nickte, streichelte die Wangen seiner Gemahlin und beugte sich dann über ihre Hand.
    »Mir scheint, meine Liebe, du kennst dich mit Dichtern besser aus als ich. Ich bin umgeben von Höflingen, Diplomaten, Generälen, rauhen Kriegern – aber nicht von Poeten. Kein einziger hat bisher meinen Weg direkt gekreuzt. Daß man einen Dichter von den Menschen abhebt, um ihn zwischen Welt und Himmel, verklärt vom Sonnenlicht und eingetaucht im Erdenschaffen –«
    »Mon Dieu!« unterbrach die Dauphine freudig erregt ihren Gatten. »Du bist ja selbst auch schon ein Poet! Du müßtest dich sprechen hören!«
    »Was habe ich denn gesagt?« fragte der Dauphin etwas verlegen, fuhr aber, ohne eine Antwort seiner Gemahlin abzuwarten, selbst fort: »Ist ja egal. Zum Ausdruck wollte ich bringen, daß mir dieser Alain Chartier ein Beispiel dafür ist, zu welcher Würde sich der ärmste Mensch erheben kann, wenn er begnadet ist.«
    Mit einer graziösen Verbeugung wollte der Dauphin das Boudoir seiner Frau verlassen, wurde jedoch von ihr zurückgehalten.
    »Hat man den größten Schurken, der je gesucht wurde, schon gefunden?« fragte sie.
    »Den Präfekt?«
    »Ja.«
    Der Dauphin räusperte sich.
    »Es wäre mir lieber gewesen, du hättest nicht danach gefragt.«
    »Warum?«
    »Du freust dich auf das Fest heute abend. Meine Antwort auf deine Frage wird dir aber die gute Laune verderben.«
    »Man hat ihn also noch nicht gefunden?«
    »Doch.«
    »Doch?!« rief die Dauphine, in die Hände klatschend. »Und das nennst du eine Enttäuschung für mich?«
    »Wir konnten ihn aber nicht mehr lebend erwischen.«
    »Merde!« entfuhr es der Dauphine, die im rauhen Schottland aufgewachsen war, was in manchen Momenten immer noch seinen Ausdruck fand.
    Der Dauphin amüsierte sich.
    »Was sagtest du, meine Liebe?«
    »Ich?« antwortete sie unschuldig, wobei sie freilich nicht verhindern konnte, zu erröten. »Nichts.«
    »Sagtest du nicht –«
    »Psst!« unterbrach sie ihn, ihm ihren Zeigefinger auf den Mund legend. »Wer hat ihn umgebracht?«
    »Den Präfekt? Er sich selbst.«
    »Wirklich?«
    »Sie fanden ihn in einem Keller, erhängt von eigener Hand.«
    »Von eigener Hand, ist das sicher?«
    »Ja, warum?«
    »Weil ich ihm das gar nicht zugetraut hätte«, sagte die Dauphine und setzte verächtlich hinzu: »Diesem Feigling!«
    Der Dauphin berichtete Näheres, dann ging er. Kurz darauf ließ sich bei ihm schon wieder der Kommandant der Garde melden, um mitzuteilen, daß vom Dichter Chartier immer noch jede Spur fehle.
    »Laßt die Suche fortsetzen«, ordnete der Dauphin an, dem es wichtig war, daß kein Soldat faul herumlag, sondern beschäftigt wurde. »Irgendwo in Paris muß er sein, da er die Stadt, wie uns bekannt ist, betreten hat. Übernehmt seine Bedeckung, wenn er gefunden wird. Ihr seid mir aber dafür verantwortlich, daß dies so dezent geschieht, daß er es als Schutz und nicht etwa als Gefangennahme empfindet.«
    Der Marquis salutierte und ritt wenig später mit seiner Begleitung wieder aus dem Hof des Schlosses.
    Zur gleichen Stunde fast verließ durch eine Gartentür die Dauphine in unauffälliger Kleidung einer Frau aus dem Volk das
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