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Die Bank im Park

Die Bank im Park

Titel: Die Bank im Park
Autoren: Heinz G. Konsalik
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entfernte sich Chartier. Die Wünsche, die ihm von diesem Offizier nachgesandt wurden, waren keine guten.
    Der Dichter zwang sich, an den ganzen Vorfall möglichst nicht mehr zu denken. Der Zauber, den die Stadt Paris nun wieder einmal auf ihn ausübte, erleichterte ihm dieses Vorhaben.
    Wie gut kannte er doch jede Straße, jede Gasse, jeden Winkel – und doch war es ihm, als schenke sich die Stadt immer aufs neue dem Empfangsbereiten, der ihre Schönheit mit den Lippen kaum zu preisen wagte. Gedichte sind die Gärten, Himmelsodem ihre Schlösser, fuhr es dem lächelnden Chartier durch den Sinn. Und all dies zusammen, das herrliche Paris, die Königin der Städte, kann die schönste Hymne sein, die je ein Mensch aus seiner Fantasie zum Lobe Gottes sang und steinern erbaute.
    Im hellen Sonnenlicht tanzten vor ihm kleine Ballen Staub, weiß fast wie dünne Flocken Schnee, und wie von einer Zauberhand berührt, verflog auf den Blüten in den Gärten Tautropfen um Tautropfen, hell funkelnd noch im Augenblick, ehe sie sich in das weite Reich des Äthers saugen ließen.
    Traumverloren lief Alain Chartier durch die altbekannten Straßen, entdeckte jeden Garten neu und begrüßte ihn innerlich dennoch wie eine langentbehrte, langersehnte, herrliche Geliebte. Sein Blick liebkoste die ihm vertrauten Häuser und Monumente, und als ihm heiß wurde, stieg er eine Treppe hinunter zum Ufer der Seine und kühlte sich mit deren Wasser Hände und heiße Stirn. Zum Glück erzählten ihm die murmelnden Wellen nicht, welchen Leichnam sie vor kurzem fortgetragen hatten.
    Es war, als wollte der Dichter noch einmal Stein für Stein der Stadt in seine Seele senken.
    Wie hattest du doch geträumt, schmächtiger, stets hustender Chartier? Auf einer Bank im Park lagst du am See des Jardin d'Acclimatation. Ein Falter küßte dich und trug dich in die Sonne, und die Welt war unter dir, unbedeutend und klein. Schwindel erfaßte dich, du fühltest, daß du Grenzen hast in deinem Leben, daß es die Götter sind, die herrschen, nicht die Menschen.
    Welch freien Traum der Seele träumtest du! Ob es die Blüten im Bois so wollten, als ihr Duft im Schlafe dich umwehte? Ob es der Wind mit seinem Schelmenlispeln wollte, als er die langen Zweige deiner Trauerweide in Bewegung hielt?
    Ach ja, der See mit seinen schwarzen Schwänen! Wie blühten auf dem dunklen Wasser hell die Rosen, die weißen, denen jeder See den Namen gibt. Auf den breiten Rillenblättern quakten laut die Frösche. Bezaubernd schöne Insel dieser Welt – wer könnte deinen Atem trinken, ohne ein Poet zu werden?
    Mit seinen zierlichen Schritten strebte Alain Chartier wieder zum unausweichlichen, ihn wie ein Magnet anziehenden Ziel. Wieder ging er die von Blüten eingesäumten Wege, begrüßte Schilf und Vögel, Trauerweide und die Schwaneninsel und sank mit müdem, aber glücklichem Seufzer auf die weiße Bank, um noch einmal seine Seele ganz im Schönen auszuspannen, ehe er ins Schloß treten würde, um dem Dauphin seine Kunst zu schenken.
    Die schwarzen Schwäne zogen majestätisch durch das Wasser.

X
    In seinem stinkenden Versteck lag der Präfekt auf einem ekelerregenden alten Strohsack und stellte immer wieder die gleiche einfache Rechnung an, die sein Inneres zerfraß.
    Sechs Beutel Gold hatte der Dauphin auf seinen Kopf ausgesetzt; vier Beutel waren ihm selbst noch zur Verfügung gestanden, die er den Hafendirnen gegeben hatte; dafür hielten diese ihn hier im Keller zwischen Fässern, Kisten, Säcken, auf verfaultem Stroh versteckt. Aber wie lange noch? Jedes Geräusch, auch das geringste, ließ den Präfekten erbeben. Vier Beutel hatten die Dirnen schon, warum sollten sie nicht noch sechs dazu kassieren wollen? Vier plus sechs Beutel, das ergab zehn Beutel, zehn Beutel, zu verdienen durch die Auslieferung eines Subjekts, das nur noch ein Haufen Dreck war und im eigenen Leben nie auch nur einen Funken Treue geübt hatte.
    Zehn Beutel Gold erwarb eine Dirne niemals auf eine ihr als normal zuzusprechende Weise. Mit dieser Summe konnte sie sich im Bois eine Villa erbauen, sich Personal halten, zur Stadtkokotte werden, die in allen Zirkeln saß und die Séparées begehrt machte.
    Was galt da ein Präfekt, dessen Amtsgewalt ihn verlassen hatte, der nur noch ein zitternder, fetter, schwitzender, verfolgter Lump war, der gesuchteste Schurke Frankreichs?
    Der Dicke sah es ein, daß es keinen Ausweg mehr gab für ihn. Gnade würden selbst die Götter nicht für ihn mehr übrighaben –
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