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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Ludlum
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an seinem Koppel, nach irgendeiner Waffe. Andrea verschwand in einer der seitlichen Nischen, in eine Art Sakristei. Eine Sackgasse.
    Oder vielleicht doch nicht? Beim Schließen der Tür wurde es in dem Raum nicht viel dunkler. Hier war schweres Holzgestühl aufgehäuft. Andrea erkletterte den höchsten Stapel und sah einen Kriechgang, der in einen weiteren Raum mit Steinboden führte. Sie stieß sich so kräftig ab, dass der Stuhlstapel umfiel, als ihre Hände gegen ein Steinsims klatschten. Dann zog sie sich in den niedrigen Kriechraum hoch, der offenbar auch zu Belüftungszwecken diente.
    Wenig später hatte sie schätzungsweise sechs bis sieben Meter über sich ein Gewölbe mit Spandrillen. Rechts von ihr stand eine Ziegelmauer, die zu hoch war, um überklettert zu werden; trotzdem konnte sie in der Ferne Vögel rufen und Bäume im Wind rascheln hören.
    Sie rannte dorthin, wo das von außen kommende Licht am hellsten war, aber als sie um eine Ecke bog – ihre Lunge voller
Luft, ihr Körper scheinbar gewichtslos, von Adrenalin und Hoffnung angetrieben –, prallte ein Mann, der wie aus dem Nichts auftauchte, mit ihr zusammen. Andrea ging unelegant zu Boden.
    Der Mann war außer Atem, als er über ihr stand. »Wie die Mutter, so die Tochter«, keuchte er.
    Andrea erkannte ihn sofort wieder: Dies war der Autofahrer mit dem Washingtoner Stadtplan. Der Mann, der sie entführt hatte. Die mit Brillantine fixierten grauen Locken, seine Augen, die wie die gläsernen Knopfaugen eines Plüschtiers glänzten, der eigenartig kleine Mund und das schwache Kinn mit dem Grübchen darin.
    »Rühren Sie mich nicht an«, sagte Andrea hustend.
    »Sehen Sie, Ihre Mama hat sich auch nie ans Programm gehalten. Sie wollte nicht sterben, nicht mal für eine gute Sache. Schließlich mussten wir ihr das Ethanol direkt in die Leistenarterie spritzen. Ein winziger Einstich.«
    »Sie haben meine Mutter ermordet.«
    »Das sagen Sie, als sei es ein Verbrechen«, schnaubte der Mann.
    Andrea stieß sich ohne Warnung mit dem linken Bein ab, um zu versuchen, von dem Steinboden aufzuspringen. Der Mann reagierte blitzschnell, und sie bekam einen Tritt in den Unterleib. Laut japsend sank sie zurück. Er schlang ihr, unter den Armen hindurchgreifend, die Hände ums Genick, rammte ihr sein linkes Knie ins Kreuz und machte mit dem rechten Bein ihre Knöchel unbeweglich. »Ein kurzer Ruck bricht Ihnen das Rückgrat. Ein schmerzhafter Tod.«
    Ihr Kopf schien vor Blutandrang bersten zu wollen. »Bitte«, keuchte sie. »Tut mir leid. Ich mache, was Sie sagen.«
    Der Mann riss sie hoch, drehte sie zu sich herum. Er hatte jetzt eine Pistole in der Hand. Andrea starrte sie fasziniert an. Die Waffe war schwarz. Ihre Mündung war schwärzer.
    »Navasky!«, blaffte der Mann in sein kleines Funksprechgerät. »Zu mir nach 3F.« Mit kaum beherrschter Brutalität stieß er Andrea vor sich her in Richtung Korridor. Der Wärter mit dem wächsernen Teint und den blassen Hechtaugen – offenbar hieß er Navasky – tauchte am anderen Ende des gefliesten Durchgangs auf.
    »Hundesohn«, sagte er gedehnt und zog seinen Elektroschocker.
    »Hundetochter, um es genau zu sagen«, verbesserte ihn der andere.
    »J-Mann wird’s nicht gefallen, davon zu hören.«
    »Vielleicht braucht J-Mann nichts davon zu erfahren. Wir können den nächsten Schritt vorziehen, sie schon jetzt ins Koma versetzen. Dann hält sie todsicher die Klappe.«
    Jeder der beiden Männer packte einen ihrer Ellbogen. Andrea schlug um sich, aber sie hielten eisern fest.
    »Hübsch temperamentvoll«, meinte der Südstaatler. »He, Justin, du bist doch der Experte für so was: Kann sie noch nass werden, wenn sie hirntot ist?«
    »Für Sex ist weitgehend das Hinterhirn zuständig«, sagte der zweite Mann. »Dafür braucht man keine funktionierende Großhirnrinde. Die Antwort lautet also ja – wenn wir’s richtig anfangen.«
    Andrea wehrte sich nochmals aus Leibeskräften. Vergebens. Sie konnte sich nicht befreien.
    »Was machen Sie hier?«, fragte der Mann links neben ihr, den der andere Justin genannt hatte, als auf dem Korridor vor ihnen eine weitere Gestalt auftauchte. »Ich dachte, Sie wären von der Stiftung?«
    »Hab Ihren Notruf empfangen!«, rief der Mann. Er hielt ebenfalls ein kleines Sprechfunkgerät hoch, steckte es wieder ein. »Neue Regelung.«
    »Gerade rechtzeitig«, meinte der Südstaatler hörbar erleichtert.
    Andrea starrte den Neuankömmling mit wachsendem Entsetzen an. Keine fünfzehn
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