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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Ludlum
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die Welt zu verbessern – und das auf moralisch einwandfreie Weise. Auf die aus ihrer Sicht
einzige Weise. Andrea war stolz darauf, wie transparent die Arbeit der Stiftung war. Sie verbarg nichts, weil es nichts zu verbergen gab.
    »Das Projekt in Uruguay hat Modellcharakter«, sagte der Regionaldirektor eben. »Wir rechnen damit, dass viele andere Organisationen es studieren und nachahmen werden.« Der Mann – grauhaarig, leicht gebeugt, mit einem runden, bebrillten Gesicht – hatte die kummervolle Miene eines Mannes, der in seinen zwanzig Jahren bei der Stiftung viel Elend und Leid gesehen hatte. Aber er hatte auch erlebt, wie Elend und Leid gelindert werden konnten.
    »Das hoffe ich sehr«, sagte Andrea. »In unserer Branche setzt man auf Nachahmer, weil die Hilfen sich dadurch vervielfachen. Es ist entscheidend wichtig, dass diese Regionen nicht abgeschrieben werden. Sie können sich ändern; sie können sich zum Besseren ändern.« Wie sie selbst sich verändert hatte.
    Auch ihr Mann und ihr Adoptivsohn hatten sich verändert. Obwohl Todd und Brandon so ungleich waren, hatten sie eine Beziehung aufgebaut, die Andrea nicht hätte voraussehen können. Brandon hatte in gewisser Weise seine Kindheit, Todd sein Leben als Erwachsener eingebüßt, sodass sie eine Zeit lang gemeinsam getrauert hatten … und trotzdem steckte dahinter noch mehr. Intellektuell konnte natürlich niemand mit Brandon mithalten, aber seine emotionale Reife – seine Liebenswürdigkeit, sein Einfühlungsvermögen – befähigte ihn dazu, etwas zu erkennen, das Todd vor den meisten Menschen verbarg. Der Junge erkannte Todds Verwundbarkeit, seine Begeisterungsfähigkeit und seinen Wunsch, zu nähren, und reagierte darauf mit seiner eigenen Verwundbarkeit, seiner Begeisterungsfähigkeit und dem Bedürfnis, genährt zu werden. Ein Junge hatte einen Vater gefunden; ein Mann hatte einen Sohn gefunden.
    Und Andrea hatte eine Familie gefunden.
    »Die Nachrichten aus Guayana sind weniger erfreulich«, sagte der Regionaldirektor vorsichtig. Er sprach von einem groß angelegten Impfprogramm, das dort auf dem Land verwirklicht werden sollte. Für Andrea war es von besonderem Interesse. Sie hatte das ländliche Guayana erst letzten Monat besucht. Bilder der Indiosiedlungen am Fluss Moruca, vom Leben und der Arbeit ihrer Bewohner standen ihr noch bedrückend lebhaft vor Augen. Mit ansehen zu müssen, wie zahlreiche Dorfbewohner noch heutzutage einer vermeidbaren Epidemie zum Opfer fielen … das hatte sie traurig und zornig gemacht.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Andrea. »Wir haben doch alle Details genau ausgearbeitet.« Das Impfprogramm sollte beweisen, dass es möglich war, die Gesundheitsfürsorge auch in Gebieten mit unzulänglicher Infrastruktur zu verbessern.
    »Das Potenzial dieser Kampagne ist ungewöhnlich hoch, Ms Bancroft«, erklärte er ihr. »Ihr Besuch in Guayana hat allen Hoffnung gemacht.«
    »Was ich letzten Monat bei meinem Besuch erlebt habe«, sagte Andrea, »werde ich nie vergessen.« Ihre Worte klangen aufrichtig, leidenschaftlich.
    »Leider hat der Innenminister uns soeben die Erlaubnis für die Fortsetzung unserer Arbeit entzogen. Er hat weitere Impfungen ausdrücklich untersagt.«
    »Das kann nicht Ihr Ernst sein!«, protestierte Andrea. »Dafür gibt’s keinerlei Rechtfertigung …«
    »Allerdings nicht«, sagte der Grauhaarige ernst. »Keine Rechtfertigung. Nur eine Erklärung. Sehen Sie, die Indios, die gerettet würden, sind mehrheitlich Stammwähler einer Oppositionspartei.«
    »Wissen Sie bestimmt, dass das dahintersteckt?«, fragte sie angewidert.
    »Das haben wir direkt von unseren Verbündeten im Regierungslager.« Die Bassettaugen des Mannes blickten kummervoll
drein. »Eine grausige Vorstellung. Tausende werden sterben, nur weil dieser Mann nichts von Demokratie hält. Und noch dazu ist er durch und durch korrupt. Das ist keineswegs nur ein Gerücht. Wir kennen Leute, die Beweise für Schmiergeldzahlungen auf seine Konten bei Offshore-Banken besitzen.«
    »Wirklich?«
    »Darf ich vorschlagen, wenigstens darüber nachzudenken, ob … nun, ob wir diesem Schweinehund nicht Daumenschrauben anlegen könnten? Ihn wissen lassen, was wir beweisen können  – weil ihm das politisch schwer schaden würde. Aber das täten wir natürlich nie ohne Ihre Erlaubnis.« Der Regionaldirektor machte eine Pause. »Ms Bancroft?«
    Andrea schwieg. Vor ihrem inneren Auge erschien ein Bild von ihrer Guayanareise, die sie
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