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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Ludlum
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Schritte von ihr entfernt stand der muskulöse Mann in dem gut geschnittenen grauen Anzug. Der namenlose Unbekannte, der sie in Carlyle aufgesucht und sie seither offenbar beschattet hatte. Der Schlägertyp, der versucht hatte, ihr mit kaum verhüllten Drohungen den Mund zu verbieten.
    Sie spürte, wie der Griff der anderen sich in Gegenwart eines weiteren bewaffneten Mannes unwillkürlich etwas lockerte, und folgte einem unberechenbaren Impuls: Sie warf sich plötzlich nach vorn, konnte sich diesmal losreißen und rannte geradeaus weiter, weil ihr nur diese Fluchtrichtung offen stand. Wie in Zeitlupe zog der Mann im grauen Anzug einen großkalibrigen Revolver unter seinem Jackett hervor und zielte damit lässig in ihre Richtung. Lieber ein rascher Tod , sagte sie sich.
    Sie starrte in die kaum mehr drei Meter entfernte Revolvermündung, wie ein Beutetier, das von einer Brillenschlange hypnotisiert wird. Sie sah bläulich weiße Flammenzungen hervorbrechen, als der Mann zweimal rasch nacheinander abdrückte.
    Gleichzeitig entdeckte sie in seinem Blick das ruhige Selbstvertrauen eines Scharfschützen, der kaum jemals ein Ziel verfehlt.
     
    Die Yale University, die drittälteste Universität der Vereinigten Staaten, war 1701 gegründet worden, aber die meisten ihrer Gebäude – auch die mit Efeu bewachsenen neugotischen Bauten, die als typisch für Yale galten – waren weniger als ein Jahrhundert alt. Wie die Ringe einer organisch gewachsenen europäischen Stadt lagen die neueren Gebäude für naturwissenschaftliche Fächer und Labors alle in größerer Entfernung von dem »Old Campus«. Deshalb waren die Computerwissenschaftler der Universität stolz darauf, in einem – wenn auch
vielfach renovierten – Gebäude aus dem 19. Jahrhundert untergebracht zu sein. Das Arthur K. Watson Building war ein Klinkerbau mit reich gegliederter Fassade, die von viktorianischem Ehrgeiz und viktorianischem Bewusstsein für Grandeur kündete. Es stand gegenüber dem Friedhof Grove Street, und es gab manche, die dem Arthur K. Watson Building etwas Grabartiges andichteten.
    Belknap hatte ungute Vorahnungen, als sich Walter Sachs und er auf dem Gehsteig gegenüberstanden. Er hatte wieder das leise Gefühl, beobachtet zu werden. Aber von wem? Sein Instinkt und seine Fähigkeiten als Agent widersprachen sich: Wäre er beschattet worden, hätten seine Manöver eine Bestätigung dafür geliefert. Sein berufsbedingtes Misstrauen grenzte tatsächlich fast an Verfolgungswahn.
    »Sag mir noch mal, wie dein Freund heißt«, verlangte Belknap nervös.
    Walter Sachs seufzte. »Stuart Purvis.«
    »Und erzähl mir, woher du ihn kennst.«
    »Wir waren Studienfreunde, und er ist jetzt Juniorprofessor im Department für Computerwissenschaft.«
    »Traust du diesem Kerl wirklich? Er hat schon eine Viertelstunde Verspätung. Weißt du bestimmt, dass er nicht gerade mit dem Campus-Sicherheitsdienst telefoniert?«
    Sachs winkte ab. »Im ersten Studienjahr hat er mir die Freundin ausgespannt. Im zweiten Studienjahr hab ich ihm die Freundin ausgespannt. Damit waren wir quitt. Er ist ein guter Kerl. Seine Mom war Künstlerin, in den Achtzigerjahren wegen ihrer Installationen ziemlich bekannt. Zeug aus Eisenträgern und -streben, aber mit Kurven und Muschelformen. Verblüffende Effekte. Irgendwie fast so, als hätte Georgia O’Keeffe sich vorgenommen, Tilted Arc zu überarbeiten.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
    Walt hob den Nylonrucksack, den er in seinen Armen hielt,
etwas höher. »Kumpel, letztlich läuft’s darauf hinaus, dass wir hier drin ein riesiges Magnetspeicherband haben. Ein Datenmeer, okay? Mit deinem kümmerlichen Notebook ist da nichts auszurichten. Dagegen hat Stu mitgeholfen, die Beowulf-Cluster in Yale zu installieren. Das sind zweihundertsechzig CPUs, die parallel geschaltet nahtlos zusammenarbeiten. Das ist Rechenleistung! Und wir müssen Stu dazu überreden, sie uns zur Verfügung zu stellen.« Sachs richtete sich auf. »Ah, da kommt er!« Er winkte. »Hey, Stu!«, rief er einem Mann zu, der zu schwarzer Hose und Sandalen ein weißes Guayabera-Hemd trug.
    Der Mann, schätzungsweise Ende dreißig, wandte sich ihnen zu und winkte ebenfalls. Seine dicke schwarze Hornbrille war modisch oder das genaue Gegenteil davon – je nach dem Grad von Ironie, mit dem sie getragen wurde. Er lächelte seinem alten Freund zu. Ein Stückchen grünen Salats war zu sehen, das zwischen zwei Schneidezähnen steckte. Also das Gegenteil
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